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Fristlose Kündigung unwirksam

Fristlose Kündigung bei Pflichtverletzung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 27.06.2019, Aktenzeichen 2 AZR 28/19

Eine außerordentliche fristlose Kündigung ist unwirksam, wenn kein wichtiger Grund vorliegt.

Ein Schichtleiter beim IT-Dauerdienst des BKA  (Bundeskriminalamt) nahm im August 2016 an einer Diskussion über Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in einem öffentlich einsehbaren Teil eines sozialen Netzwerkes teil. Dort äußerte er sich unter anderem abfällig über Moslems. Im Februar 2017 erhob die Staatsanwaltschaft gegen ihn Anklage wegen Volksverhetzung und Beleidigung. In einem Schreiben wurde die Arbeitgeberin darüber informiert. Gegen Zahlung eines Geldbetrages wurde das Verfahren eingestellt.

Am 2. März hörte die Arbeitgeberin den Schichtleiter zu diesem Vorfall an. Der Personalrat wurde über die Absicht informiert, das Arbeitsverhältnis des Schichtleiters fristlos zu kündigen. Der Personalrat erwiderte, er mache im Rahmen der Anhörung keine Einwände geltend. Die Arbeitgeberin kündigte 4 Tage später das Arbeitsverhältnis außerordentlich, fristlos.

Gegen die fristlose Kündigung erhob der Schichtleiter Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht. Seine Äußerungen wären für die Arbeitgeberin keine Rechtfertigung für eine Kündigung. Er beantragte die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche, fristlose Kündigung nicht aufgelöst wurde.

Die Arbeitgeberin argumentierte, der Schichtleiter habe es unterlassen, sie über das laufende Ermittlungsverfahren zu unterrichten. Mit seinen Äußerungen habe er eine strafbare Volksverhetzung begangen. Zudem gebe es Zweifel an an seiner Zuverlässigkeit und am Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie am jederzeitigen Eintreten für deren Erhaltung. Diese stünden einer Weiterbeschäftigung im IT-Dauerdienst entgegen.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG) gaben der Klage statt. Mit ihrer Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin ihr Begehren zur Klageabweisung weiter.

Das BAG entschied, die Berufung sei unbegründet. Für die fristlose Kündigung fehle es an einem wichtigen Grund im Sinne von 626 Absatz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Die außerordentliche fristlose Kündigung sei unwirksam und könne auch nicht in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden.

Es wäre ausreichend gewesen, den Schichtleiter darauf hinzuweisen, dass sein Verhalten als Pflichtverletzung anzusehen sei und im Falle der Wiederholung zur Kündigung führen könne. Es wäre der Arbeitgeberin zumutbar gewesen, zunächst mit einer Abmahnung auf die Vertragsstörung einzuwirken. Die Interessenabwägung ergebe, dass es der Arbeitgeberin zumutbar gewesen wäre, den Schichtleiter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist mit weniger sicherheitsrelevanten Tätigkeiten zu beschäftigen.

Um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen die auf Eignungsmängel des Arbeitnehmers basiert, müssten die Interessen der Arbeitgeberin selbst bei einer ordentlichen Kündigung überwiegen. Im vorliegenden Fall fehle jeder Vortrag dazu, dass der Schichtleiter zumindest zeitweilig nicht in einem weniger sicherheitsrelevanten Bereich hätte beschäftigt werden können.  

Das Arbeitsverhältnis kann aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die kündigende Arbeitgeberin trifft hierfür die Beweislast.

Die Arbeitgeberin habe lediglich ihre Interessenabwägung an die Stelle derjenigen vom LAG gesetzt, indem sie auf die vom LAG festgestellte innere Verfestigung der Einstellung des Schichtleiters verwies ohne gegenüber dem LAG einen Rechtsfehler aufzuzeigen. Ein solcher sei auch objektiv nicht ersichtlich.

Die Klage sei auch nicht in eine ordentliche Kündigung zum Ablauf der Kündigungsfrist umzudeuten. Ein Kündigungsschutzantrag gegen eine außerordentliche Kündigung umfasse regelmäßig auch das Begehren festzustellen, das Arbeitsverhältnis ende nicht aufgrund einer eintretenden Umdeutung der außerordentlichen Kündigung in eine ordentliche Kündigung. Die Voraussetzungen für die Umdeutung in eine ordentliche Kündigung lägen bereits nicht vor, da die Personalvertretung an einer ordentlichen Kündigung nicht beteiligt wurde.

Nach § 108 Abs. 2 BPersVG (Bundespersonalvertretungsgesetz) ist eine durch die Arbeitgeberin ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Beschäftigten unwirksam, wenn die Personalvertretung nicht beteiligt worden ist. Es handele sich um eine unmittelbar für die Länder geltende Vorschrift. Der örtlich zuständige Personalrat des LKA (Landeskriminalamt) sei vor der Kündigung vom 6. März 2017 ausschließlich zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung angehört worden.

Der Personalrat habe mit seiner Stellungnahme vom 6. März 2017 nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegung durch das Landesarbeitsgericht der außerordentlichen Kündigung nicht ausdrücklich und vorbehaltlos zugestimmt.

Die Formulierung des Personalrats er habe im Rahmen der Anhörung keine Einwände, lasse offen, ob er keine Einwendungen hatte oder nur beschlossen, diese nicht geltend zu machen. Zu beachten sei, dass der Personalrat gegen eine außerordentliche Kündigung nur Bedenken einwenden könne. Bei einer ordentlichen Kündigung hingegen habe er Mitbestimmungsrecht.