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Unterrichtung Wirtschafsausschuss über die wirtschaftlichen Angelegenheiten

Unterrichtung Wirtschaftsausschuss

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 17.12.2019, Aktenzeichen 1 ABR 25/18

Unternehmen haben den Wirtschaftsausschuss anhand aussagekräftiger Unterlagen über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens zu unterrichten.

Die Arbeitgeberin ist Betreiberin von drei psychiatrischen Krankenhäusern. Je Krankenhaus existiert ein Betriebsrat. Zusätzlich bestehen ein Gesamtbetriebsrat sowie ein Wirtschaftsausschuss.

In der Vergangenheit legte die Arbeitgeberin dem Wirtschaftsausschuss die Budgetvereinbarungen für die drei Krankenhäuser vor. Zum Jahresbeginn 2017 bat der Wirtschaftsausschuss die Arbeitgeberin jedoch vergeblich um die Vorlage der Budgetvereinbarungen, auch für die Jahre 2015 und 2016. Daraufhin rief der Gesamtbetriebsrat die Einigungsstelle an. Die Einigungsstelle verpflichtete die Arbeitgeberin, den Wirtschaftsausschuss anhand der Budgetabschlüsse mit den Krankenkassen für die Jahre 2015 und 2016 zu unterrichten.

Vor dem Arbeitsgericht machte die Arbeitgeberin geltend, der Spruch der Einigungsstelle sei unwirksam. Es liege in ihrem Ermessen, die Unterlagen auszuwählen, die dem Wirtschaftsausschuss vorzulegen seien. Sie sei nicht verpflichtet, dem Wirtschaftsausschuss die Budgetvereinbarungen vorzulegen. Das Arbeitsgericht wies den Antrag der Arbeitgeberin ab. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) blieb erfolglos. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin weiterhin ihren Antrag.

Das BAG entschied, der Antrag der Arbeitgeberin bleibe erfolglos. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat. Die Arbeitgeberin sei verpflichtet den Spruch durchzuführen und dem Wirtschaftsausschuss die für ihre drei Fachkrankenhäuser abgeschlossenen Budgetvereinbarungen der Jahre 2015 und 2016 vorzulegen.

Für die Einleitung des Einigungsstellenverfahrens komme es auf die Willensbildung des Betriebsrats, nicht des Wirtschaftsausschusses an. Der Betriebsrat habe es in der Hand, durch eine Einigung mit der Arbeitgeberin den Streit über ein Auskunfts- oder Vorlageverlangen des Wirtschaftsausschusses beizulegen. Eine entsprechende Einigung ist für die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses bindend.

Kommt eine Einigung nicht zustande, so obliegt es der alleinigen Entscheidung des Betriebsrats, ob er die Einigungsstelle anruft. Der Wirtschaftsausschuss dient letztlich nur der Erfüllung von Aufgaben des Betriebsrats. Der Wirtschaftsausschuss sei selbst weder Träger von Mitbestimmungs- oder Beteiligungsrechten, noch sei er befugt, die Erfüllung von Auskunfts- oder Vorlageansprüchen nach § 106 Absatz 2 Satz 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) vor Gericht einzufordern.

Entscheidet sich der Betriebsrat, durch Anrufung der Einigungsstelle ein erfolgloses Verlangen des Wirtschaftsausschusses gegenüber dem Unternehmer weiterzuverfolgen, mache er daher letztlich ein eigenes Begehren gegenüber der Arbeitgeberin geltend. Für dessen Durchsetzung komme es nicht auf die Willensbildung des Wirtschaftsausschusses an.

Zu den wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens gehört nach § 106 Absatz 3 Nummer 1 BetrVG dessen wirtschaftliche und finanzielle Lage. Hierzu zählen alle Faktoren, die für die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung des Unternehmens von Bedeutung sind.

Die in den Budgetvereinbarungen mit den Krankenkassen behandelten Gegenstände seien für die wirtschaftliche Entwicklung der Arbeitgeberin bedeutsam, da sie für die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin entscheidende Vorgaben enthalten.

Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin sei es unerheblich, dass die Budgetvereinbarungen in der Praxis, anders als in der Bundespflegesatzverordnung vorgesehen, nicht so rechtzeitig abgeschlossen werden, dass sie spätestens mit Ablauf des laufenden Vereinbarungszeitraums in Kraft treten können. Sie mögen damit die vom Verordnungsgeber beabsichtigte Steuerungsfunktion ggf. nur noch eingeschränkt erfüllen. Daraus folge jedoch nicht zwangsläufig, dass sie ihre Funktion als Instrument der Mengensteuerung vollständig verlieren.

Die Inhalte der von der Arbeitgeberin geschlossenen Budgetvereinbarungen betreffen auch die wirtschaftliche und finanzielle Lage ihres Unternehmens. Sie seien zwar krankenhausindividuell und damit bezogen auf die von ihr unterhaltenen Betriebe abgeschlossen. In ihrer Zusammenschau gäben die Vereinbarungen jedoch Auskunft über die wirtschaftliche Situation des Krankenhausträgers und damit der Arbeitgeberin.

Die Arbeitgeberin sei verpflichtet, dem Wirtschaftsausschuss die Budgetvereinbarungen für die Jahre 2015 und 2016 vorzulegen. Bei diesen handelt es sich um erforderliche Unterlagen im Sinne von § 106 Absatz 2 Satz 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz).

Entgegen der Annahme der Arbeitgeberin setze der Unterrichtungs- und Vorlageanspruch des Wirtschaftsausschusses weder voraus, dass darlegt wird, wofür er die begehrten Informationen benötigt, noch steht die Vorlage erforderlicher Unterlagen in ihrem Auswahlermessen. § 106 Absatz 2 Satz 1 BetrVG verpflichte die Arbeitgeberin vielmehr, eine Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses anhand geeigneter und damit aussagekräftiger Unterlagen vorzunehmen.

Die Formulierung „unter Vorlage … zu unterrichten“ bringe zum Ausdruck, dass die Pflicht zur Vorlage von erforderlichen Unterlagen an die Pflicht zur Unterrichtung anknüpft und zwischen beiden lediglich eine inhaltliche Konnexität gegeben sein muss.

Allerdings bestimme die Norm auch nicht ausdrücklich, dass die Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses „anhand von Unterlagen“ zu erfolgen habe. Für ein solches Verständnis spreche jedoch die Gesetzeshistorie. Bereits das Betriebsverfassungsgesetz 1952 sah in seinem § 67 Absatz 2 Satz 1 eine Unterrichtung des Wirtschaftsausschusses „über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens anhand der Unterlagen“ vor.

Durch die Vorlage von Unterlagen solle dem Wirtschaftsausschuss eine gleichgewichtige und damit grundsätzlich vom selben Kenntnisstand ausgehende Beratung mit dem Unternehmer ermöglicht werden. Dieser Zweck werde nur erreicht, wenn dessen Unterrichtung anhand der für die erteilten Auskünfte aussagekräftigen Unterlagen erfolgt. Ausgehend hiervon handele es sich bei den Budgetvereinbarungen für die Jahre 2015 und 2016 um Unterlagen, die dem Wirtschaftssauschuss vorzulegen sind.

Nach § 106 Absatz 2 Satz 1 BetrVG hat die Arbeitgeberin den Wirtschaftsausschuss anhand der Vorlage der Budgetvereinbarungen über deren Abschluss und Inhalt in Kenntnis zu setzen, da diese für die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin bedeutsam sind. Die in den Budgetvereinbarungen verhandelten Gegenstände bilden eine wesentliche Grundlage für den Finanzierungsrahmen der drei von der Arbeitgeberin unterhaltenen Krankenhäuser.

Anders als von der Arbeitgeberin angenommen sei eine Unterrichtung anhand der Budgetvereinbarungen nicht deshalb entbehrlich, weil der Wirtschaftsausschuss bereits über die entsprechenden Informationen anhand anderer Unterlagen verfügt. Weder der Jahresabschluss – also die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnung – noch ihre betriebswirtschaftlichen Auswertungen geben Auskunft über die in den Budgetvereinbarungen getroffenen Eckdaten.

Im Rahmen der Rechtsbeschwerde fügte die Arbeitgeberin zu ihrer Argumentation hinzu, bei Vorlage der Budgetabschlüsse würden Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse gefährdet.

Die im Gesetz angelegte Primärzuständigkeit der Einigungsstelle habe jedoch zur Folge, dass der Unternehmer seinen Einwand, durch die verlangte Unterrichtung oder Vorlage von Unterlagen seien Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gefährdet, bereits im Rahmen des Einigungsstellenverfahrens vorbringen muss. Unterlässt er dies, könne er sich hierauf in einem nachfolgenden gerichtlichen Verfahren nicht mehr berufen, wenn die Umstände, die eine Gefährdung begründen sollen, bereits vor dem Abschluss des Einigungsstellenverfahrens eingetreten sind.