Vermittlungshonorar bei Arbeitnehmerüberlassung
Bundesgerichtshof, Urteil vom 05. November 2020, Aktenzeichen III ZR 156/19
In einem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag darf ein Vermittlungshonorar vereinbart werden, das maximal zwei Bruttomonatsgehälter nicht übersteigt und sich für jeden vollen Monat der Überlassung um ein Zwölftel reduziert.
Ein Montagehelfer wurde bis zum 31. Dezember 2014 bei der Entleiherin eingesetzt. Die Verleiherin beendete danach das Arbeitsverhältnis mit ihm durch eine betriebsbedingte Kündigung. Die Entleiherin stellte ihn zum 6. März 2015 ein. Die Verleiherin stellte der ehemaligen Entleiherin daraufhin ein Vermittlungshonorar in Rechnung.
Das Amtsgericht wies die Klage der Verleiherin auf Zahlung des Vermittlungshonorars ab. Das Landgericht gab der Berufung statt und verurteilte die ehemalige Entleiherin zur Zahlung des geltend gemachten Vermittlungshonorars. Mit ihrer Revision vor dem Bundesgerichtshof begehrte die ehemalige Entleiherin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Das Argument der ehemaligen Entleiherin, das Arbeitsverhältnis sei erst nach Kündigung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Verleiherin entstanden, führe nicht zur Unwirksamkeit der Regelung. Es lägen keine Anhaltspunkte vor, dass der Gesetzgeber die Zulässigkeit solch einer Vergütungsvereinbarung davon abhängig machen wollte, ob und durch wen das Arbeitsverhältnis vor der Einstellung durch die Entleiherin beendet wurde.
Eine arbeitgeberseitige Kündigung solle nicht die Zulässigkeit einer Vermittlungsprovision sperren. Durch die Überlassung des Zeitarbeitnehmers an die Entleiherin und den dadurch hergestellten Kontakt habe die Verleiherin überhaupt erst den Kontakt ermöglicht. Diese Dienstleistung könne sich die Verleiherin auch dann vergüten lassen, wenn der Begründung des Arbeitsverhältnisses eine arbeitgeberseitige Kündigung vorausgegangen ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs werde bis sechs Monate nach der Überlassung vermutet, die Übernahme sei auf die vorherige Überlassung zurückzuführen.
Die Voraussetzungen für das Vermittlungshonorar seien erfüllt. Die Verleiherin verlange zu Recht das beanspruchte Vermittlungshonorar. Der Wortlaut der Vermittlungshonorarklausel unterscheide nicht durch wen und auf welche Weise das Arbeitsverhältnis des überlassenen Mitarbeiters mit der Verleiherin beendet wurde.
Das Berufungsgericht habe die Vermittlungshonorarklausel zu Recht als wirksam betrachtet. Sie verstoße nicht gegen § 9 Nummer 3 AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz).
Mit Wirkung vom 1. Januar 2004 habe der Gesetzgeber § 9 Nummer 3 Halbsatz 2 AÜG eingefügt, wonach die gegenüber Einstellungsverboten geltende Unwirksamkeitssanktion die Vereinbarung einer angemessenen Vergütung zwischen Verleiher und Entleiher für die nach vorangegangenem Verleih erfolgte Vermittlung nicht ausschließt. Für die hiernach grundsätzlich zulässige Vereinbarung eines Vermittlungsentgelts bei Arbeitnehmerüberlassung sei weder eine Individualvereinbarung noch ein gesonderter Personalvermittlungsvertrag erforderlich. Die Angemessenheit der Vergütung sei Voraussetzung für die Wirksamkeit der Vermittlungshonorarvereinbarung. Die vorliegend streitige Klausel entspreche dieser Anforderung.
Eine Unterscheidung nach unterschiedlichen Beendigungsgründen widerspräche vielmehr dem Wortlaut des § 9 Absatz 1 Nummer 3 AÜG und sei auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung nicht erforderlich.
Billigkeitsgesichtspunkte mögen dagegensprechen, einem Personaldienstleister, der aus eigenem Entschluss den Arbeitsvertrag mit einem Leiharbeitnehmer kündigt und damit die zukünftige Zusammenarbeit beendet, ein Entgelt zuzugestehen, wenn ein Kunde den vormals an diesen überlassenen Mitarbeiter in ein reguläres Arbeitsverhältnis übernimmt.
Der Dienstleister verliere in einem solchen Fall durch die Übernahme des Mitarbeiters nichts, was er durch den Ausspruch der Kündigung nicht auch verlieren wollte. Insoweit unterscheide sich die Situation von den Fällen, in denen der Leiharbeitnehmer gegen den Willen des Personaldienstleisters, etwa nach einer Eigenkündigung, vom Kunden übernommen und dadurch bei seinem bisherigen Arbeitgeber “eine Lücke gerissen” wird, die er im Zweifel durch eigene Rekrutierungsbemühungen wieder ausgleichen muss.
Diese Erwägungen – die, griffen sie durch, die Vertragsfreiheit im unternehmerischen Rechtsverkehr beschränkten – hätten jedoch in § 9 Nummer 3 AÜG und in dem ihm zugrundeliegenden Gesetzgebungsverfahren keinen Niederschlag gefunden.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift hänge die Zulässigkeit der Vereinbarung eines Honoraranspruchs des Arbeitnehmerverleihers nicht davon ab, dass nicht er, sondern der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis beendet hat.
Der Gesetzgeber ließ sich davon leiten, dass die entgeltliche Arbeitsvermittlung eine erlaubte Tätigkeit darstelle und Arbeitnehmerüberlassung häufig mit dem Ziel der Personalgewinnung nach vorangegangenem Verleih erfolge. Verleih und Vermittlung könnten ineinander übergehende Geschäfte sein, die von der Privatautonomie geschützt seien. Solange die Höhe des zwischen Verleiher und Entleiher vereinbarten Vermittlungsentgelts nicht faktisch den sozialpolitisch durchaus erwünschten Wechsel eines Leiharbeitnehmers zum Entleiher erschwere, müssten derartige vertragliche Abreden zulässig sein.
Die Arbeitnehmerüberlassung führe in nicht seltenen Fällen zum selben Ergebnis wie die Arbeitsvermittlung, nämlich zur Übernahme des Leiharbeitnehmers in die Stammbelegschaft des entleihenden Unternehmers. Dies sei der Grund dafür, die Vereinbarung eines Personalvermittlungsentgelts bei Arbeitnehmerüberlassung anzuerkennen.
Der positive beschäftigungspolitische Effekt der Arbeitnehmerüberlassung solle honoriert werden. Die Übernahme des Leiharbeitnehmers in ein normales Arbeitsverhältnis sei sozialpolitisch erwünscht und damit honorarwürdig.
Dieser Zweck werde auch erfüllt, wenn es nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Verleiher zu einer solchen auf der Arbeitnehmerüberlassung beruhenden Übernahme komme.