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E-Mail – Mitbestimmung des Betriebsrats

Mitbestimmung bei E-Mail-Nutzung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.02.2021, Aktenzeichen 1 ABR 31/19

Die Einführung und Nutzung der für eine E-Mail-Kommunikation im Betrieb notwendigen softwarebasierten Anwendungen unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Der Betriebsrat ist bei einer Arbeitgeberin gebildet, die einen Flughafen mit ca. 1 800 Mitarbeitern betreibt.

Für die innerbetriebliche E-Mail-Kommunikation der Mitarbeiter wird ein Softwareprogramm mit zentralem Server verwendet. Der Einführung und Anwendung der hierfür erforderlichen Anwendungen stimmte der Betriebsrat auf der Grundlage der Betriebsvereinbarung 2010 zu.

Im Herbst 2017 leitete die Arbeitgeberin eine interne Untersuchung ein, um strafrechtlich relevante Vorwürfe u.a. gegen einen ihrer damaligen Geschäftsführer nachzugehen. Im Rahmen der Untersuchung überprüfte die Arbeitgeberin die E-Mail-Postfächer des Geschäftsführers sowie verschiedener leitender Angestellter und Arbeitnehmer. Um deren Löschung zu verhindern sicherte die Arbeitgeberin die E-Mails und leitete sie zur Auswertung an eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und eine Rechtsanwaltskanzlei weiter.

Der Betriebsrat vertrat die Auffassung, ihm stehe ein Mitbestimmungsrecht zu, bezüglich der Auswertung, Sicherstellung und Weiterleitung des E-Mail-Verkehrs der Arbeitnehmer. Durch die Betriebsvereinbarung hätte er das Mitbestimmungsrecht nicht abschließend ausgeübt. Zur nachträglichen Ausübung des Mitbestimmungsrechts sowie für die Geltendmachung von Beseitigungsansprüchen benötige der Betriebsrat die Namen der betroffenen Arbeitnehmer sowie den Grund für die Überprüfung ihrer E-Mails.

Die Arbeitgeberin sei zudem verpflichtet, den durch die Weiterleitung von personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer an die beiden beauftragten Firmen entstandenen, mitbestimmungswidrigen Zustand zu beseitigen und künftig die Auswertung von E-Mails der Arbeitnehmer sowie ihre Speicherung oder Weiterleitung an Dritte zu unterlassen.

Vor dem Arbeitsgericht beantragte der Betriebsrat, der Arbeitgeberin aufzugeben, ihm die Namen und den personenbezogenen Anlass der Arbeitnehmer mitzuteilen, deren elektronischer Schriftverkehr im Zusammenhang mit den Untersuchungen überprüft, gesichert, ausgewertet und weitergeleitet wurden.

Die Arbeitgeberin habe zudem zu veranlassen, dass die weitergeleiteten Daten physisch gelöscht und vernichtet werden.

Zukünftig habe die Arbeitgeberin es zu unterlassen, im Rahmen interner Untersuchungen den elektronischen Schriftverkehr der Mitarbeiter ohne Zustimmungsbeantragung beim Betriebsrat zu überwachen, Daten zu sichern und auszuwerten sowie an Dritte weiterzuleiten. Ausgenommen seien Sicherheitsgefährdungen, die ein sofortiges Handeln erfordern.

Das Arbeitsgericht gab den Anträgen des Betriebsrats statt. Auf Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht (LAG) abgewiesen, dass die weitergeleiteten Daten physisch gelöscht und vernichtet werden.

Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgten die Beteiligten mit Rechtsbeschwerden ihre Anträge weiter. Das BAG entschied, die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin sei begründet, sämtliche Anträge des Betriebsrats hingegen erfolglos.

Als Voraussetzung für einen Anspruch des Betriebsrats müsse überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats vorliegen und im Einzelfall die begehrte Information zur Wahrnehmung der Aufgabe erforderlich sein. Erst anhand dieser Angaben des Betriebsrats könnten die Arbeitgeberin und im Streitfall das Arbeitsgericht prüfen, ob die Voraussetzungen einer Auskunftspflicht sowie eines damit korrespondierenden Auskunftsanspruchs vorliegen.

Nicht ausreichend sei ein allgemein gehaltener Hinweis des Betriebsrats auf seine gesetzlichen Aufgaben unter Wiederholung des Gesetzeswortlauts. Stütze sich der Betriebsrat auf eine Überwachungsaufgabe nach § 80 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) müsse er die konkrete normative Vorgabe aufzeigen, deren Durchführung er überwachen möchte. Es sei nicht Aufgabe des Gerichts ohne solche Angaben von Amts wegen zu prüfen, welche Aufgaben den Auskunftsanspruch stützen und aus welchen Gründen die verlangte Information für die Durchführung dieser Aufgabe benötigt werden könnte.

Der Betriebsrat habe geltend gemacht, er müsse die Beachtung der datenschutzrechtlichen Vorgaben für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von Beschäftigtendaten zum Zwecke der Aufdeckung von Straftaten nach § 26 Absatz 1 Satz 2 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) überprüfen.

Der Verweis des Betriebsrats auf die Datenschutz-Grundverordnung sowie die EU-Verordnung 2016/679 ermögliche keine Prüfung, welche der dort vorgesehenen Schutzbestimmungen zugunsten der Arbeitnehmer er hinsichtlich ihrer Durchführung oder Einhaltung zu überwachen beabsichtige.

Die vom Betriebsrat begehrten Auskünfte seien aber auch nicht erforderlich um die Einhaltung des § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG zu überprüfen.

 Mit der bloßen Angabe, ob es gegen den betroffenen Arbeitnehmer einen gegen ihn gerichteten Verdacht gab oder sich eine auf ihn bezogene E-Mail im Postfach eines verdächtigten Mitarbeiters befand, könne der Betriebsrat weder erkennen, ob – und ggf. welche, von der Arbeitgeberin dokumentierte – tatsächliche Anhaltspunkte einen Anfangsverdacht für eine Straftat begründet haben, noch, ob die von ihr durchgeführte Datenverarbeitung zu deren Aufdeckung erforderlich und im Hinblick auf die schutzwürdigen Interessen der hiervon betroffenen Arbeitnehmer geeignet sowie angemessen war.

Ob überhaupt ein Mitbestimmungsrecht bei der Kontrolle und Auswertung des E-Mail-Verkehrs besteht, könne dahinstehen, da es sich nicht erschließe, wieso die geforderten Informationen für eine ggf. nachträgliche Ausübung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats benötigt werden.

Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG knüpfe an die Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen an, die geeignet sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Die vom Betriebsrat verlangten Auskünfte bezögen sich weder auf die technischen Einzelheiten einer von der Arbeitgeberin angewendeten Überwachungseinrichtung noch auf das konkrete technische Vorgehen der Arbeitgeberin bei der Überprüfung, Speicherung und Sicherung des elektronischen Schriftverkehrs der Arbeitnehmer.

Welchen Erkenntnisgewinn sich der Betriebsrat aus den Namen der von der E-Mail-Auswertung betroffenen Arbeitnehmer verspreche und aus der Angabe, warum ihr elektronischer Schriftverkehr Gegenstand der Überprüfung durch die Arbeitgeberin war, sei nicht ersichtlich und wurde auch nicht vom Betriebsrat vorgetragen.

Angesichts der bereits verfolgten Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche gegen die Arbeitgeberin seit nicht erkennbar, warum eine Kenntnis der Namen und des personenbezogenen Anlasses der E-Mail-Auswertung für die Durchsetzung von entsprechenden Beseitigungsansprüchen unerlässlich sein soll.

Die geforderten Angaben erlauben dem Betriebsrat keinen Rückschluss darüber, ob sich die Arbeitgeberin im Hinblick auf die Vorgaben der Betriebsvereinbarung 2010 vereinbarungsgemäß verhalten habe.

Dem Betriebsrat sei bekannt, dass die Arbeitgeberin E-Mails von Arbeitnehmern überprüft und zur Auswertung an die von ihr beauftragten Firmen übermittelt hat. Damit habe sie das Verhalten der Arbeitnehmer im Sinne von § 10 Nr. 2 Satz 1 BV 2010 kontrolliert. Einer Angabe ihrer Namen und der Gründe hierfür bedürfe es nicht, um die Beachtung des § 10 Nr. 2 Satz 1 BV 2010 zu überwachen.

Der Unterlassungsantrag sei unbegründet. Er beziehe sich auch auf Fallgestaltungen, die nicht Gegenstand eines aus § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG folgenden allgemeinen Unterlassungsanspruchs sind.

Bei dem Antrag handele es sich um einen Globalantrag, da er die im Rahmen einer internen Untersuchung durch die Arbeitgeberin vorgenommene Sicherung, Auswertung und Weiterleitung von E-Mails der Arbeitnehmer an Dritte unabhängig davon erfasst, welche technische Einrichtung die Arbeitgeberin bei diesen Vorgängen verwendet. Damit beinhaltet er eine Vielzahl von Fallgestaltungen und ist als insgesamt unbegründet abzuweisen, wenn – wie vorliegend – unter ihn auch Sachverhalte fallen, in denen das Unterlassungsbegehren erfolglos ist.

Die Arbeitgeberin verletze das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG nicht, wenn sie bei den vom begehrten Verbotsausspruch erfassten Handlungen die mit Zustimmung des Betriebsrats im Betrieb eingeführten softwarebasierten Anwendungen zur Nutzung der E-Mail-Kommunikation einsetzt.

Sowohl die Einführung als auch die Nutzung der für eine E-Mail-Kommunikation bei der Arbeitgeberin notwendigen softwarebasierten Anwendungen sei nach § 87 Absatz 1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtig, da diese zur Überwachung von Verhalten oder Leistung der Arbeitnehmer geeignet sind. Der Betriebsrat habe sein auf die Einführung und Anwendung dieser technischen Einrichtungen im Betrieb bezogenes Mitbestimmungsrecht ausgeübt.

Entgegen der Annahme des Betriebsrats gebe es für eine Mitbestimmung bei der Anwendung des im Betrieb genutzten E-Mail-Systems kein Raum mehr. Dies gelte auch für etwaige, in Zusammenhang mit der Nutzung dieses Systems durch die Arbeitnehmer in Betracht kommende Überwachungsvorgänge durch die Arbeitgeberin.

Die Regelungen in § 10 Nr. 2 und Nr. 5 BV 2010 enthalten mitbestimmte Vorgaben dazu, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen die Arbeitgeberin Verhaltens- und Leistungskontrollen der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Verwendung von informations- und kommunikationstechnischen Systemen vornehmen könne.

  • 10 Nr. 2 Satz 1 BV 2010 sehe ausdrücklich vor, dass „Leistungs- und Verhaltenskontrollen … unzulässig“ seien. Damit sei das Verbot normiert, in Zusammenhang mit der Nutzung der von der BV 2010 erfassten informations- und kommunikationstechnischen Systeme das Verhalten der Arbeitnehmer oder ihre Arbeitsleistung in welcher Art auch immer zu kontrollieren. Angesichts der weiten sprachlichen Fassung der Regelung beziehe sich dieses Verbot nicht nur auf eine Kontrolle des Verhaltens der Arbeitnehmer durch die im Betrieb verwendeten informations- und kommunikationstechnischen Systeme, sondern es untersagt auch eine Überwachung ihres Verhaltens oder ihrer Leistung bei der Nutzung dieser Systeme.

Während in § 10 Nr. 2 Satz 1 BV 2010 zunächst der Grundsatz einer Unzulässigkeit von Verhaltens- und Leistungskontrollen der Arbeitnehmer aufgestellt wird, befasst sich Nr. 5 der Regelung mit Vorgaben für „Kontrollmaßnahmen“. Diese zielen darauf ab, Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten zu verhindern, oder sie dienen der Aufdeckung von Straftaten. Die damit angesprochenen Kontrollmaßnahmen bewirkten eine „Leistungs- und Verhaltenskontrolle“ der Arbeitnehmer, die an sich nach § 10 Nr. 2 Satz 1 BV 2010 ausdrücklich nicht erlaubt ist.

Die Regelung des § 2 BV 2010 stütze dieses Verständnis. Die Betriebsparteien haben dort u.a. vereinbart, dass bei auftretenden Problemen aus Anwendungen oder aus der Kontrolle von Leistung und Verhalten auf Verlangen des Betriebsrats mit ihm hierüber zu verhandeln sei. Sich aus einer Leistungs- oder Verhaltenskontrolle ergebende Probleme könnten nur entstehen, wenn § 10 Nr. 2 Satz 1 BV 2010 kein ausnahmslos striktes Kontrollverbot enthält.

Der Regelungsinhalt von § 10 Nr. 5 BV 2010 spreche ebenfalls dafür, dass die Arbeitgeberin berechtigt sein soll, nach Maßgabe der dort festgelegten Voraussetzungen das Verhalten der Arbeitnehmer durch ein ICT-System oder bei dessen Anwendung zu kontrollieren.

Ist es zur Verhinderung einer Ordnungswidrigkeit oder einer Straftat notwendig, dass die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer mit Hilfe oder bei der Nutzung eines der im Betrieb eingesetzten informations- oder kommunikationstechnischen Systems überprüft, könne eine damit einhergehende zweckbezogene Kontrollmaßnahme vorgenommen werden.

Die Betriebsparteien hätten bewusst die Formulierung Kontrollmaßnahmen gewählt, die zur Aufdeckung von Straftaten bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen durchgeführt werden dürfen.

Der Umstand, dass der Betriebsrat bei Kontrollmaßnahmen zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten nachträglich und unverzüglich zu informieren sei, wenn sofortiges Handeln erfordernde Sicherheitsgefährdungen drohen, lasse lediglich darauf schließen, dass die Arbeitgeberin in den sonstigen Fällen den Betriebsrat vorher zu unterrichten habe. Ein Zustimmungsvorbehalt könne hieraus nicht entnommen werden.

Da der Betriebsrat sein Unterlassungsbegehren ausschließlich auf eine Verletzung seines Mitbestimmungsrechts, nicht aber auf ein betriebsvereinbarungswidriges Vorgehen der Arbeitgeberin stütze, habe das BAG nicht darüber zu befinden, ob die im Antrag beschriebenen Handlungen gegen die Vorgaben der BV 2010 oder der BV 2015 verstoßen würden. Bei einem Verbotsausspruch als Rechtsfolge eines nicht betriebsvereinbarungsgemäßen Verhaltens der Arbeitgeberin handele es sich um einen anderen Verfahrensgegenstand als bei der auf einem mitbestimmungswidrigen Verhalten gründenden Unterlassungsfolge.

Das Einwirkungsbegehren hatte ebenso keinen Erfolg. Der Betriebsrat könne sein Verlangen nicht auf den aus § 87 BetrVG folgenden Beseitigungsanspruch stützen. Ein solcher Anspruch könne nur auf eine Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands, nicht aber auf eine weitergehende – vorliegend erstrebte – Folgenbeseitigung gerichtet sein.

Verstößt die Arbeitgeberin gegen das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG, könne sich der Beseitigungsanspruch des Betriebsrats gegen die Arbeitgeberin darauf richten, dass die Anwendung der mitbestimmungswidrig im Betrieb eingeführten und genutzten technischen Überwachungseinrichtung unterbleibt. Dem Betriebsrat stehe hingegen kein Anspruch darauf zu, dass die Arbeitgeberin bei Dritten eine Löschung von personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer, die sie mit Hilfe einer nicht mitbestimmt im Betrieb genutzten Überwachungseinrichtung erhoben und an Dritte weitergegeben hat, oder eine Vernichtung von solchen Daten auswertenden Dokumenten veranlasst.