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Ungültiger Stimmzettel durch zusätzliche Kennzeichnung

Anfechtung einer Wahl des Aufsichtsrates

Bundesarbeitsgericht Urteil vom 28.04.2021, Aktenzeichen 7 ABR 20/20

Im Zweifel führt eine zusätzliche Kennzeichnung des Stimmzettels zu dessen Ungültigkeit.

Während der Auszählung der Stimmen für den Aufsichtsrat wurde ein Stimmzettel für ungültig erklärt, weil er in der linken oberen Ecke außerhalb des für die Stimmabgabe vorgesehenen Feldes ein Smiley mit einem Durchmesser von ca. 1 cm aufwies. Ein weiterer Stimmzettel mit drei Kreuzen für den gleichen Kandidaten wurde hingegen anerkannt. Die Stimmgleichheit mit einem anderen Kandidaten führte zu einem Entscheid durch Los, der den anderen Kandidaten als gewähltes Aufsichtsratsmitglied sowie seine Stellvertreterin begünstigte. Das Wahlergebnis wurde nachfolgend im Bundesanzeiger veröffentlicht.

Der Kandidat, der durch die ungültige Smiley-Stimme und den anschließenden Losentscheid kein Aufsichtsratsmitglied wurde, sowie weitere beteiligte wahlberechtigte Arbeitnehmer, begehrten beim Arbeitsgericht die Teilanfechtung des Wahlergebnisses sowie dessen Berichtigung. Der mit dem Smiley versehene Stimmzettel sei zu Unrecht als ungültig gewertet worden.

Die Wahl des Aufsichtsrats vom 6. März 2019 sei dahingehend zu berichtigen, dass anstelle des durch Losentscheid begünstigten Arbeitnehmers und seine Stellvertreterin, der Arbeitnehmer als Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat aufzunehmen sei, der durch den Losentscheid nicht begünstigt wurde, einschließlich seiner Stellvertreterin.

Das Arbeitsgericht wies die Anträge ab. Mit Zustimmung aller Beteiligten entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) im schriftlichen Verfahren, nachdem nun auch der Aufsichtsrat in das Verfahren einbezogen wurde. Der Beschluss des Arbeitsgerichts wurde vom LAG abgeändert und antragsgemäß entschieden.

Mit ihrer Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) begehrten die beim LAG unterlegenen Beteiligten die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Das Bundesarbeitsgericht entschied, der Antrag zur Berichtigung des Wahlergebnisses sei unbegründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts wurde aufgehoben und das Urteil des Arbeitsgerichts wieder hergestellt.

Eine auf Berichtigung des Wahlergebnisses gerichtete Teilanfechtung komme in Betracht, wenn Fehler bei der Feststellung des Wahlergebnisses aufgetreten sind, die Wahl aber ansonsten ordnungsgemäß durchgeführt wurde und somit durch die Korrektur lediglich der wahren Wählerentscheidung Geltung verschafft werden soll.

Der Betriebswahlvorstand habe nicht gegen eine wesentliche Wahlvorschrift verstoßen, indem er den mit dem Smiley versehenen Stimmzettel nach § 13 Absatz 3 der Verordnung zur Wahl der Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer nach dem Drittelbeteiligungsgesetz (Wahlordnung zum Drittelbeteiligungsgesetz – WODrittelbG) als ungültig angesehen hat.

Nach § 13 Absatz 3 WODrittelbG sind Stimmzettel in folgenden Fällen ungültig:

  • Es sind mehr Bewerber angekreuzt, als Aufsichtsratsmitglieder zu wählen sind
  • Es ergibt sich kein eindeutiger Wille
  • Stimmzettel ist mit einem besonderen Merkmal versehen oder
  • enthält andere Angaben, einen Zusatz oder sonstige Änderungen.

Liegen die genannten Voraussetzungen vor, ordne die Bestimmung die Ungültigkeit des Stimmzettels an. Die Vorschrift trage dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl als elementarem Grundprinzip der Aufsichtsratswahl Rechnung.

Werden die für einen Wahlbewerber gültig abgegebenen Stimmen nicht sämtlich als gültig bewertet oder nicht sämtlich für ihn gezählt, könne insbesondere bei knappem Wahlausgang der Grundsatz der Wahlgleichheit verletzt sein.

Der Wahlvorstand habe den mit dem Smiley versehenen Stimmzettel zu Recht für ungültig gehalten.

Im vorliegenden Fall gehe aus dem Stimmzettel eindeutig hervor, welchen Bewerbern der Wähler seine Stimme geben wollte. Die Kreuze seien an den dafür vorgesehenen Stellen angebracht. Die Eindeutigkeit der Wählerentscheidung werde durch das außerhalb des für die Stimmabgabe vorgesehenen Feldes in der linken oberen Ecke des Stimmzettels angebrachte Smiley nicht in Frage gestellt. Aus dem Smiley könne nicht darauf geschlossen werden, dass die Stimmabgabe möglicherweise nicht ernst gemeint war.

Der Stimmzettel sei ungültig, weil er ein besonderes Merkmal im Sinne von § 13 Absatz 3 Nr. 3 WODrittelbG enthält. Als besonderes Merkmal gelte, wenn eine über die Stimmabgabe hinausreichende Eigenheit auf dem Stimmzettel vorhanden ist, die auf die Person des Wählers hinweisen könnte. Dazu gehörten beispielsweise Kennzeichnungen die mit Lippenstift oder abgebranntem Streichholz aufgetragen wurden, die Verwendung eines Schreibwerkzeuges mit außergewöhnlicher Farbe, eine Unterschrift, ein sonstiges handschriftliches Zeichen oder eine Zeichnung am Rande des Stimmzettels.

Um eine Ungültigkeit des Stimmzettels hervorzurufen, müsse das besondere Merkmal dazu geeignet sein, Rückschlüsse auf den Wähler zu ermöglichen.

Es gelte das Wahlgeheimnis zu wahren. Nach dem Grundsatz der geheimen Wahl dürfe die Stimmabgabe des Wählers keinem anderen bekannt werden. Die geheime Wahl solle vor jeglichem sozialen Druck schützen. Jeder Arbeitnehmer solle seine Wahl in Ansehung der ihm bekannten Tatsachen und Meinungen nach seiner freien Überzeugung treffen können. Über die Stimmabgabe, den Wahlvorgang und die Stimmauszählung würden diese Grundsätze formalisiert und unabdingbar ausgestaltet.

Auf die Wahrung seines Wahlgeheimnisses könne der Wähler nicht wirksam verzichten. Die geheime Wahl diene dem Schutz der Wahlfreiheit und gewährleiste die Legitimation der Gewählten. Bei der Abstimmung sei der Wähler verpflichtet, die wahlrechtlichen Vorschriften zu beachten. Teile hingegen der Wähler von sich aus vor oder nach der Wahl seine Abstimmungsabsicht mit, sei die Wahlfreiheit nicht gefährdet, da diese freiwillige Mitteilung keine Drucksituation bei der Stimmabgabe herbeiführe.

Die Bestimmung in § 13 Abs. 3 Nr. 3 WODrittelbG soll eine Rückverfolgung ausschließen. Daher sei es entgegen der vom Landesarbeitsgericht offenbar vertretenen Auffassung nicht erforderlich, dass die Person des Wählers tatsächlich feststellbar ist.

Es komme nur darauf an, ob das Merkmal aus sich heraus oder im Zusammenwirken mit anderen Umständen geeignet sein könnte, Rückschlüsse auf einen bestimmten Wähler zu ermöglichen. Im Zweifel führe eine zusätzliche Kennzeichnung des Stimmzettels zu dessen Ungültigkeit. Dafür sprächen auch der systematische Zusammenhang und der Zweck der Regelung. Nach § 13 Abs. 2 Satz 5 WODrittelbG kennzeichnet der Wähler die von ihm gewählten Bewerber durch Ankreuzen an der hierfür im Stimmzettel vorgesehenen Stelle. Eine weitergehende Kennzeichnung sei nicht zulässig. Die einheitliche Gestaltung der Stimmzettel und die Festlegung der Art der Stimmabgabe sollen verhindern, dass die Stimmabgabe des Wählers einer anderen Person bekannt werden kann. Dieses Ziel würde gefährdet, wenn besondere Merkmale, die aus sich heraus oder im Zusammenwirken mit anderen Umständen geeignet sein könnten, Rückschlüsse auf einen bestimmten Wähler zu ermöglichen, nicht zur Ungültigkeit des Stimmzettels führten.

Das Merkmal könnte als Nachweis einer abgesprochenen Stimmabgabe geeignet sein. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, die Verwendung eines besonderen Merkmals als Nachweis für eine abgesprochene Stimmabgabe sei wegen des damit verbundenen Risikos, dass der Stimmzettel für ungültig gehalten wird, unwahrscheinlich. Führte eine zusätzliche Kennzeichnung nicht zur Ungültigkeit des Stimmzettels, könnte eine solche Kennzeichnung ohne Risiko als Nachweis für eine abgesprochene Stimmabgabe verwendet werden.

Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, das Smiley stelle kein zur Ungültigkeit des Stimmzettels führendes besonderes Merkmal dar, halte einer rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand.

Nach den vorgenannten Grundsätzen stelle das Smiley ein besonderes Merkmal dar, das geeignet sein könne, auf einen bestimmten Wähler zu schließen. Deshalb sei der Stimmzettel mit dem Smiley als ungültig zu werten.

Eine Beurteilung der Gültigkeit des Stimmzettels mit den drei Kreuzen war entbehrlich, da seine Ungültigkeit kein anderes Wahlergebnis verursacht hätte.

Die Grundsätze für die Aufsichtsratswahl gelten auch für Betriebsratswahlen. Stimmzettel sollen einen eindeutigen Willen zum Ausdruck bringen, dürfen keine zusätzlichen Merkmale, Änderungen oder zusätzliche Angaben enthalten.

Anmerkung: Diese Entscheidung wurde durch Rechtsanwältin Marion Zehe, Fachanwältin für Arbeitsrecht, vor dem Bundesarbeitsgericht herbeigeführt.