Gültigkeit einer elektronischen Signatur
Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 28.09.2021, Aktenzeichen 36 Ca 15296/20
Wird ein System zur elektronischen Signatur ohne erforderliches Zertifikat verwendet, ist das elektronisch unterzeichnete Dokument ungültig.
Ein Mechatroniker war bei der Arbeitgeberin befristet für ein Jahr beschäftigt. Noch vor dem Ablauf der Befristung schlossen die Parteien einen Vertrag über ein weiteres Jahr eines befristeten Arbeitsverhältnisses. Entsprechend Vertragstext des zweiten Befristungsvertrages sollte das bisherige Arbeitsverhältnis fortgeführt werden. Etwa einen Monat vor Ablauf des zweiten befristeten Arbeitsvertrags schlossen die Parteien einen dritten Arbeitsvertrag mit Befristung, der sich zeitlich nahtlos an den zweiten Arbeitsvertrag anschloss und bis zum Wegfall eines Sachgrunds gelten sollte.
Dieser Arbeitsvertrag wurde von den Parteien elektronisch unterzeichnet. Bereits im ersten Monat des Geltungsbereichs des dritten Arbeitsvertrags beantragte der Mechatroniker beim Arbeitsgericht feststellen zu lassen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungen im zweiten Arbeitsvertrag beendet wurde. Mit der Befristung im zweiten Arbeitsvertrag werde die zulässige Höchstdauer von zwei Jahren einer Befristung eines Arbeitsverhältnisses ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes überschritten. Dem dritten Arbeitsvertrag unter dem 29. September 2020 fehle die Schriftform, denn die genutzte elektronische Signatur stelle keine qualifizierte elektronische Signatur im Sinne des Gesetzes dar.
Nach Ansicht der Arbeitgeberin genüge das zur Vertragsunterzeichnung verwendete Tool e-Sign den gesetzlichen Anforderungen an eine elektronische Signatur. Sie erklärte anhand der einzelnen Arbeitsschritte, dass die Unterzeichnung nur in der von e-Sign vorgegebenen Form und Reihenfolge möglich ist. Eine unwissentliche Unterzeichnung sei nicht möglich und die finalen Dokumente seien fälschungssicher.
Sie behalte sich ausdrücklich vor, bei gerichtlicher Feststellung einer etwaigen Formunwirksamkeit das dann nur faktisch bestehende Arbeitsverhältnis unverzüglich durch einseitige Erklärung aufzulösen.
Das Arbeitsgericht entschied, die Befristungskontrollklage ist erfolgreich. Es sind die Zeiten des Arbeitsverhältnisses zwischen dem 15. August 2018 und dem 31. Oktober 2019 zu berücksichtigen, da ausweislich des Arbeitsvertrages unter dem 19. August 2019 das ursprüngliche Arbeitsverhältnis „weitergeführt“ werden sollte. Damit wurde die zulässige Höchstdauer überschritten.
Zwischen den Parteien wurde ein dritter Arbeitsvertrag mit dem Inhalt des Vertrages unter dem 29. September 2020 jedenfalls durch die Erbringung der wechselseitigen Leistungspflichten nach § 611a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geschlossen, denn der Abschluss eines Arbeitsvertrags bedarf nicht der Schriftform.
Haben die Parteien nur mündlich oder durch schlüssiges Verhalten einen befristeten Arbeitsvertrag geschlossen, ist eine Befristung wie in Nr. 1 des Arbeitsvertrages der Parteien unter dem 29. September 2020 mangels Einhaltung der Schriftform nach § 125 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) nichtig. Das hat zur Folge, dass nach § 16 Satz 1 TzBfG (Teilzeitbefristungsgesetz) ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht.
Nach § 14 Absatz 4 TzBfG bedarf die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform.
Aufgrund von § 126 BGB ist eine Schriftform dann gewahrt, wenn die Urkunde von dem Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens unterzeichnet wurde. Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien grundsätzlich auf derselben Urkunde erfolgen.
So gingen die Vertragsparteien unstreitig nicht vor.
Wird eine gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt, muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen. Die Parteien müssen bei einem Vertrag jeweils ein gleichlautendes Dokument elektronisch signieren.
Die Parteien haben aber vorliegend keine qualifizierte elektronische Signatur genutzt.
Eine fortgeschrittene elektronische Signatur liegt vor, wenn sie eindeutig dem Unterzeichner zugeordnet ist, die Identifizierung des Unterzeichners ermöglicht, unter Verwendung elektronischer Signaturerstellungsdaten erstellt wird, die der Unterzeichner mit einem hohen Maß an Vertrauen unter seiner alleinigen Kontrolle verwenden kann. Ferner muss sie so mit den auf diese Weise unterzeichneten Daten verbunden sein, dass eine nachträgliche Veränderung der Daten erkannt werden kann.
Die für die Anerkennung einer qualifiziert elektronischen Signatur erforderliche Zertifizierung ist hinsichtlich des seitens der Arbeitgeberin genutzten Tools e-Sign augenscheinlich nicht erfolgt.
Ausweislich der Internetpräsentation des Tool-Anbieters ist eine digitale Signatur im Allgemeinen ein zuverlässiger Weg, um eine elektronische Signatur zu implementieren, wenn der Unterzeichner durch Erhalt eines Authentifizierungszertifikats von einer von der Regierung autorisierten Zertifizierungsstelle verifiziert wird.
Unter Zugrundelegung des Sachvortrages der Arbeitgeberin wird zwar davon auszugehen sein, dass das Tool e-Sign eine fortgeschrittene elektronische Signatur im Sinne des Artikel 26 eIDAS-VO (Verordnung über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste) erstellt. Die erforderliche Zertifizierung nach § 17 VDG (Vertrauensdienstegesetz) wurde seitens der Arbeitgeberin augenscheinlich nicht veranlasst, weshalb es an den besonderen Voraussetzungen für eine qualifizierte elektronische Signatur fehlt.
Vorliegend hat die Arbeitgeberin dem Mechatroniker als Arbeitnehmer kein die Schriftform hinsichtlich der Befristungsabrede wahrendes Vertragsangebot übermittelt, sondern lediglich ein nicht hinreichendes elektronisches Schriftstück.
Selbst wenn die Parteien lediglich ein befristetes Arbeitsverhältnis begründen wollten, das Fehlen der Schriftform für die Befristungsabrede mündet in einen Formmangel, der die Befristung unwirksam macht und ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zur Folge hat.