Zustimmung zur Einstellung – Eingliederung in die Betriebsorganisation
Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 29.10.2021, Aktenzeichen 9 TaBV 17/21
Die für eine Einstellung erforderliche Eingliederung in die Betriebsorganisation erfordert nicht, dass der Arbeitnehmer seine Arbeiten auf dem Betriebsgelände oder innerhalb der Betriebsräume verrichtet. Entscheidend für eine Eingliederung ist nicht der örtliche Sitz des Arbeitnehmers, sondern dessen organisatorische Zuordnung.
Das Unternehmen der Arbeitgeberin gliedert sich in einzelne Regionalbetriebe, darunter der Betrieb Zentrale, für die jeweils ein Betriebsrat gebildet wurde.
Die Arbeitgeberin schrieb eine Stelle für den IT-Support aus. Der Arbeitsplatz war einem regionalen Betrieb zugeordnet. Im August 2020 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat der Zentrale um Zustimmung zur Einstellung eines “Expert IT Field Support” in der Abteilung IT-Servicemanagement für die Zentrale (Dienstsitz regionaler Betrieb).
Der Betriebsrat Zentrale verweigerte seine Zustimmung. Die beabsichtigte Einstellung benachteilige den einzustellenden Mitarbeiter, da er der Zentrale zugeordnet werden solle, obwohl sein Dienstsitz im regionalen Betrieb sein werde.
Wegen der Entfernung werde es ihm erschwert, sich an den Betriebsrat zu wenden. Auch gegenüber anderen Arbeitnehmern der Zentrale werde er benachteiligt, da kein System erkennbar sei, wonach die IT-Experten den Betrieben zugeordnet würden. Auch für ihn, den Betriebsrat Zentrale, sei es schwer zu erkennen, für welche Arbeitnehmer er zuständig sei. Dies führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer in der Fläche.
Am 02.09.2020 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat der Zentrale mit, dass sie die Einstellung vorläufig vornehme. Der einzustellende Mitarbeiter werde kurzfristig benötigt, um den ordnungsgemäßen Betrieb insbesondere während der kritischen Phase des Starkverkehrs im Vorweihnachtsgeschäft zu gewährleisten. Zudem gestalte sich das Rekrutieren von geeigneten IT-Fachkräften sehr schwierig. Die Besetzung der Stelle sei absolut notwendig, da sich der Bewerber ansonsten anderweitig orientieren werde. Bei Nichtbesetzung könne weder sichergestellt werden, dass der Sendungsbetrieb bei IT-Ausfällen durch schnelle und professionelle Reaktion vor Ort aufrechterhalten werde, noch dass kritische Infrastrukturprojekte rechtzeitig zum Starkverkehr in Betrieb genommen werden könnten.
Der Betriebsrat Zentrale bestritt die dringende Erforderlichkeit der vorläufigen Maßnahme.
Mit ihrer am 07.09.2020 beim Arbeitsgericht eingereichten Antragsschrift begehrt die Arbeitgeberin die Zustimmungsersetzung zur geplanten Einstellung des einzustellenden Mitarbeiters, sowie die Feststellung der dringenden Erforderlichkeit der vorläufigen Einstellung.
Der fachliche und disziplinarische Vorgesetzte sei in der Zentrale tätig, deshalb erfolge die Eingliederung in die Zentrale. Zu den Aufgaben des einzustellenden Mitarbeiters gehöre u.a. die Abarbeitung standortunabhängiger Supportaufträge, die per Fernwartung erledigt werden. Im Regionalbetrieb gebe es keine Führungskräfte, die ihm gegenüber weisungsbefugt seien.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen der Arbeitgeberin stattgegeben. Entscheidend für eine Eingliederung sei nicht der örtliche Sitz des Arbeitnehmers, sondern dessen organisatorische Zuordnung.
Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts legte der Betriebsrat Zentrale Beschwerde beim Landesarbeitsgericht ein. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts habe der einzustellende Mitarbeiter nicht lediglich seinen Arbeitsplatz sowie seinen Dienstsitz am regionalen Standort, sondern er sei auch direkter Ansprechpartner für die dortigen Mitarbeiter bei auftretenden IT-Problemen. Zum Zeitpunkt des Zustimmungsantrags seien sämtliche Arbeitnehmer mit Ausnahme von zwei Arbeitnehmern aus dem Bereich „IT Field Support“ den jeweils örtlichen Betrieben zugeordnet gewesen.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts werde der einzustellende Mitarbeiter durch die Einstellung benachteiligt. Bis auf wenige Ausnahmen seien sämtliche Kollegen jeweils den Betrieben ihrer Dienstsitze zugeordnet und hätten daher einen Ansprechpartner vor Ort, was ihm durch die Einstellung im Betrieb Zentrale verwehrt wird.
Die Arbeitgeberin argumentierte, der einzustellende Mitarbeiter sei ausschließlich mit der Erfüllung des Betriebszweckes des Betriebes Zentrale befasst und somit diesem ausschließlich zugeordnet. In Matrixstrukturen sei es irrelevant, ob der Vorgesetzte räumlich entfernt von seinen Mitarbeitern oder aber umgekehrt ein Mitarbeiter räumlich entfernt von seinen Kollegen und/oder seinem fachlichen/disziplinarischen Vorgesetzten sitze. Die Zuordnung von Mitarbeitern zu einem Betrieb erfolge über den Betriebszweck und damit losgelöst von den räumlichen Gegebenheiten. Darin liege keine unzulässige Benachteiligung.
Die Zuordnung zu einem Betrieb unterliege der mitbestimmungsfreien Organisationsentscheidung der Arbeitgeberin.
Das Landesarbeitsgericht entschied, die Beschwerde des Betriebsrats Zentrale ist unbegründet. Die vorläufige Einstellung ist aus sachlichen Gründen dringend erforderlich.
Die für eine Einstellung erforderliche Eingliederung in die Betriebsorganisation erfordert nicht, dass der Arbeitnehmer seine Arbeiten auf dem Betriebsgelände oder innerhalb der Betriebsräume verrichtet. Entscheidend ist vielmehr, ob die Arbeitgeberin mit Hilfe des Arbeitnehmers den arbeitstechnischen Zweck des jeweiligen Betriebs verfolgt.
Als Experte im IT Supportteam, das von der Zentrale aus gesteuert wird, wirkt der einzustellende Mitarbeiter an der Verwirklichung des Betriebszwecks der Zentrale mit. Wenn ein von Matrix-Strukturen betroffener Arbeitnehmer in der steuernden Einheit eingesetzt wird und ihr im Rahmen deren fachlichen Weisungsrechts zuarbeitet, ist die für eine mitbestimmungspflichtige Einstellung erforderliche Eingliederung auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer den räumlichen Arbeitsplatz in einem anderen Betrieb nicht verlässt, er aber über die Informations- und Kommunikationstechnologie in den Arbeitsablauf der steuernden Einheit eingebunden ist.
Für die Eingliederung in einen Betrieb ist die Bindung an die Weisungen einer Führungskraft dieses Betriebs nicht erforderlich. Ebenso wie ein arbeitstechnischer Zweck in mehreren Betrieben verfolgt werden kann, ist eine Einstellung im Sinne von § 99 Absatz 1 Satz 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) gleichzeitig in mehreren Betrieben möglich.
Maßgeblich ist in erster Linie die Einheit der Organisation, in welcher der Arbeitnehmer tätig ist.
Auch wenn der einzustellende Mitarbeiter im regionalen Betrieb tätig ist, folgt daraus nicht, dass ausschließlich der für diesen Betrieb gemäß § 2 dieses Tarifvertrages gewählte Betriebsrat für ihn zuständig ist.
Allerdings konfligiert die Zuordnung eines Arbeitnehmers zu mehreren Betrieben und die damit etwa in sozialen und personellen Angelegenheiten verbundene Zuständigkeit mehrerer Betriebsräte angesichts des Regelungszwecks von § 3 BetrVG mit dem zwischen der Arbeitgeberin und der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Zuordnungstarifvertrag.
Der Betriebsrat muss dort arbeiten, wo die wichtigen Entscheidungen im Betrieb getroffen werden. Innerhalb von Matrixstrukturen, wie sie im Betrieb der Arbeitgeberin eingeführt sind, kann ein Zuordnungstarifvertrag seine Funktion jedoch nicht optimal erfüllen, wenn die in ihm bestimmten Betriebe nicht auch für die in den zugeordneten Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer zuständig sind. Auch die Durchführung von Sprechstunden des Betriebsrats und von Betriebsversammlungen gestaltet sich bei großen räumlichen Entfernungen deutlich schwieriger.
- 3 Absatz 5 BetrVG geht ebenfalls nicht von einer geteilten Zuständigkeit zwischen dem tariflich für die Betriebsstätte bestimmten Betriebsrat und einem weiteren Betriebsrat aus. Die betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten, die aufgrund eines Tarifvertrages gebildet wurden, gelten als Betriebe und sind maßgeblich etwa für die Zahl der Betriebsratsmitglieder, die Größe der Ausschüsse und die Zahl der Freistellungen.
Die Belegschaft in den nach § 3 Absatz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG gebildeten Einheiten wird von der dort gewählten Arbeitnehmervertretung repräsentiert. Deren Zuständigkeit für die von ihr vertretenen Arbeitnehmer kann weder beschränkt noch einer anderen Arbeitnehmervertretung übertragen werden. Die nach der Fiktion des § 3 Absatz 5 Satz 1 BetrVG als Betrieb geltende Einheit ist also maßgeblich für alle betriebsverfassungsrechtlichen Regelungen.
Wenn der einzustellende Mitarbeiter nicht nur in den Betrieb Zentrale eingegliedert wird, sondern auch in den regionalen Betrieb, weil er, wie der Betriebsrat Zentrale vorträgt, direkter Ansprechpartner für die Mitarbeiter am regionalen Standort bei auftretenden IT-Problemen ist, stellt sich die Frage, in welchen Betrieben er wahlberechtigt bzw. wählbar ist und inwieweit er bei der Ermittlung der betriebsverfassungsrechtlichen Schwellenwerte mitzählt.
Stellen sich die in einem Zuordnungstarifvertrag getroffenen Vereinbarungen zu einem späteren Zeitpunkt als überholt dar, ist es Aufgabe der Tarifvertragsparteien, darauf zu reagieren. Für die sachgerechte Bildung von Arbeitnehmervertretungen sind die organisatorischen Vorgaben der Arbeitgeberin nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts daher auch bei gewillkürten Vertretungsstrukturen maßgeblich.
Daher hindert ein Tarifvertrag nach § 3 Absatz 1 Nr. 1, 3 BetrVG die Arbeitgeberin grundsätzlich nicht, während seiner Laufzeit Umstrukturierungen vorzunehmen. Sofern dies nicht eindeutig in dem Tarifvertrag vorgesehen ist, verpflichtet dieser die Arbeitgeberin weder schuldrechtlich noch normativ, Entscheidungen über die Organisation ihres Unternehmens und dessen Betriebe zu unterlassen.
Der Betriebsrat Zentrale durfte seine Zustimmung zur Einstellung nicht verweigern.
Der Betriebsrat kann die Zustimmung zu einer personellen Maßnahme verweigern, wenn der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in seiner Person liegenden Gründen gerechtfertigt ist. Die Einstellung als solche ist für den betroffenen Arbeitnehmer aber keine Benachteiligung im Sinne dieser Vorschrift.
Sinn und Zweck des Zustimmungsverweigerungsgrundes nach § 99 Absatz 2 Nr. 4 BetrVG ist es, den betroffenen Arbeitnehmer vor Benachteiligungen zu schützen. Dieses Ziel würde nicht erreicht, wenn die Einstellung unterbliebe. Der Arbeitnehmer stünde dann schlechter da als ohne die Einstellung.
Die Zuordnung ergibt sich nicht aus einer Maßnahme der Arbeitgeberin, sondern aus der organisatorischen Struktur des Unternehmens. Da es insoweit um einen reinen Normenvollzug geht, kann sich der Betriebsrat Zentrale auch nicht darauf berufen, dass die Arbeitgeberin den einzustellenden Mitarbeiter im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern, bei deren Einstellung der Standortbetriebsrat beteiligt worden war, ungleich behandelt und dadurch gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz oder gegen § 75 Absatz 1 BetrVG verstößt.
Die vorläufige Einstellung war aus sachlichen Gründen dringend erforderlich. Die Arbeitgeberin hatte den Betriebsrat Zentrale insoweit unverzüglich und zeitnah unterrichtet.
Die Arbeitgeberin hat insoweit überzeugend dargelegt, dass sie ohne die vorläufige Einstellung den Sendungsbetrieb bei IT-Ausfällen und die rechtzeitige Inbetriebnahme kritischer Infrastrukturprojekte nicht gewährleisten könne.
Eine Rechtsbeschwerde zu dieser Entscheidung wurde zugelassen, da das Landesarbeitsgericht Rechtsfragen bei Matrixstrukturen eine grundsätzliche Bedeutung beimisst.