Auskunftsanspruch Datenschutz – Schadenersatzanspruch
Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18.11.2021, Aktenzeichen 10 Sa 443/21
Ein Mitarbeiter hat grundsätzlich das Recht, von der Arbeitgeberin eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie ihn betreffende personenbezogene Daten verarbeitet und ggf. auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten.
Ein Koch in einer Pflegeeinrichtung wurde von seiner Arbeitgeberin abgemahnt und auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt. Ihm wurde vorgeworfen, abgelaufene Lebensmittel herausgegeben zu haben.
Mit anwaltlichem Schreiben forderte der Koch von der Arbeitgeberin Auskunft über die erfolgte Betriebsratsanhörung nebst Zustimmung zur Versetzung, vollumfänglich nach Artikel 15 DSGVO (Datenschutzgrundverordnung). Abmahnung und Versetzung habe die Arbeitgeberin zurück zu nehmen.
Zur Begründung seines Anspruchs auf Schadenersatz hat der Koch vor dem Arbeitsgericht erstinstanzlich ausgeführt, dass die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 22. Juli 2019 zur Auskunftserteilung nach Artikel 15 DSGVO bezüglich der Betriebsratsanhörung nebst Zustimmung sowie bezüglich des Vorfalls vom 5. Mai 2019 aufgefordert wurde und die Arbeitgeberin dem nicht bzw. nicht vollständig nachgekommen sei. Hierdurch sei der Koch weiterhin über wesentliche Faktoren der Datenverarbeitung im Dunkeln geblieben. Die Arbeitgeberin schulde wegen der Verweigerung zur Auskunftserteilung Schadenersatz gemäß Artikel 82 DSGVO.
Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Vor dem Landesarbeitsgericht verfolgte der Koch weiterhin seinen Anspruch. Er beantragte, die Arbeitgeberin zu einer Entschädigungszahlung zu verurteilen.
Das Landesarbeitsgericht führte aus, nach Artikel 15 Absatz 1 DSGVO hat der Koch grundsätzlich das Recht, von der Arbeitgeberin eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie ihn betreffende personenbezogene Daten verarbeitet und ggf. auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten. Dazu gehören u.a. folgende Informationen:
a) die Verarbeitungszwecke;
b) die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden;
c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden, insbesondere bei Empfängern in Drittländern oder bei internationalen Organisationen;
d) falls möglich die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;
e) das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung;
f) das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde;
g) wenn die personenbezogenen Daten nicht bei der betroffenen Person erhoben werden, alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten.
Diese Informationen hat die Arbeitgeberin dem Koch nur teilweise erteilt.
Durch die Bezugnahme auf Artikel 15 DSGVO war aber in jedem Fall klar und eindeutig, dass es dem Koch nicht nur um das Anhörungsschreiben der Arbeitgeberin und das Antwortschreiben des Betriebsrates ging, sondern zugleich auch um die in der Vorschrift genannten weiteren Aspekte. Mit der erteilten Auskunft durch Übersendung der beiden Schreiben hat die Arbeitgeberin allenfalls die Auskunftspflicht nach Artikel 15 Absatz 1 a) und b) DSGVO erfüllt. Den weitergehenden Anspruch nach Buchstabe c) bis g) hat die Arbeitgeberin mit ihrer Antwort vom 23. August 2019 offensichtlich nicht erfüllt.
Weder hat die Arbeitgeberin mitgeteilt, ob und ggf. gegenüber welchen Personen oder Stellen sie den Versetzungsvorgang offengelegt hat oder noch offenlegen werde, noch wann bzw. nach welchen Kriterien eine Löschung der Daten erfolgen werde. Auch auf das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der den Koch betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch die Arbeitgeberin oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung und das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde hat die Arbeitgeberin nicht hingewiesen. Da die Daten offenbar nicht beim Koch erhoben worden waren, hätte es auch einer Information über die Herkunft der Daten bedurft, also wer jeweils an dem Vorgang beteiligt war.
Weiterhin ging es um die Abmahnung vom 29. Mai 2019. Auch hier hat die Arbeitgeberin durch die Übersendung des Antrags auf Erteilung einer Abmahnung und dem sogenannten Logbuch-Eintrag allenfalls die Auskunftspflicht nach Artikel 15 Absatz 1 a) und b) DSGVO erfüllt. Den weitergehenden Anspruch nach Buchstabe c) bis g) hat die Arbeitgeberin mit ihrer Antwort vom 23. August 2019 auch zu diesem Vorgang offensichtlich nicht erfüllt.
Die Arbeitgeberin hat nicht mitgeteilt ob und ggf. gegenüber welchen Personen oder Stellen sie den Abmahnungsvorgang offengelegt hat oder noch offenlegen werde, noch wann bzw. nach welchen Kriterien eine Löschung der Daten erfolgen werde. Auch auf das Bestehen eines Rechts auf Berichtigung oder Löschung der den Koch betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch die Arbeitgeberin oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung und das Bestehen eines Beschwerderechts bei einer Aufsichtsbehörde hat die Arbeitgeberin den Koch nicht hingewiesen. Da die Daten offenbar nicht beim Koch erhoben worden waren, hätte es auch einer Information über die Herkunft der Daten bedurft, also wer jeweils an dem Vorgang beteiligt war.
Durch einen einfachen Blick in den Text des Artikel 15 Absatz 1 DSGVO hätte die Arbeitgeberin feststellen können was der Koch von ihr verlangt. Insofern ist die Arbeitgeberin auch für die unzureichende Information und damit den Verstoß gegen Artikel 15 Absatz 1 DSGVO verantwortlich.
Wie der Koch zutreffend ausgeführt hat, liegt bei ihm ein Schaden vor. Unabhängig von dem Erreichen einer Erheblichkeitsschwelle bei Verstößen gegen Regelungen der DSGVO besteht ein immaterieller Schadensersatzanspruch.
Betroffene Personen sollen einen vollständigen und wirksamen Schadenersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Dass ein Schaden erlitten ist, ergibt sich nicht erst bei Überschreiten einer gewissen Erheblichkeitsschwelle. Der Schwere der Pflichtverstöße und damit einhergehenden Beeinträchtigungen kann vielmehr effektiv auf Ebene der Höhe des Schadensersatzes begegnet werden.
Indem die Arbeitgeberin ihrer Auskunftsverpflichtung inhaltlich nicht hinreichend nachgekommen ist, hat der Koch keine ausreichenden Kenntnisse über die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten erlangt. Insofern ist ein Kontrollverlust eingetreten und ihm wurde die Möglichkeit der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten unmöglich gemacht oder erschwert.
Angesichts des offensichtlich nicht vollständig erfüllten Auskunftsanspruchs bedurfte es entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin auch keines Hinweises des Kochs, dass der Anspruch mit dem Schreiben vom 23. August 2019 nicht erfüllt sei.
Dem Koch ist in Anbetracht der Pflichtverstöße der Arbeitgeberin nach richterlichem Ermessen gemäß § 287 Absatz 1 ZPO (Zivilprozessordnung) ein immaterieller Schadensersatz in Höhe von 2 000,00 Euro zuzusprechen.
Die Schadensersatzansprüche sollen generell eine Abschreckungswirkung haben. Unter Berücksichtigung des Erwägungsgrundes 146 Satz 6 zur DSGVO soll die betroffene Person einen vollständigen und wirksamen Schadensersatz für den erlittenen Schaden erhalten. Verstöße müssen effektiv sanktioniert werden. Schadenersatz bei Datenschutzverstößen soll eine abschreckende Wirkung haben, um der Datenschutzgrundverordnung zum Durchbruch zu verhelfen.
Durch einen Schadenersatz von jeweils 1 000,00 EUR wird ausreichend sichergestellt, dass durch die Zahlung eines spürbaren Betrages der Regelung des Artikel 15 DSGVO zur Geltung verholfen wird und die Verpflichteten angehalten werden, die entsprechenden Maßgaben einzuhalten.
Eine Revision zu diesem Urteil wurde nicht zugelassen.