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Sachgrundlose Befristung nach sehr kurzem Arbeitsverhältnis unzulässig?

Sachgrundlose Befristung nach sehr kurzem Arbeitsverhältnis

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 15.12.2021, Aktenzeichen 7 AZR 530/20

Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags ist nicht zulässig, wenn mit derselben Arbeitgeberin bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Ein Maschinenführer war mehrfach bei der Arbeitgeberin im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung tätig. Bereits im Jahr 2004 war er einmal als Aushilfe für einen Zeitraum von rund 8 Wochen bei der Arbeitgeberin beschäftigt.

Noch während seines Einsatzes als Leiharbeitnehmer bewarb er sich um einen Arbeitsplatz als Maschinenführer. Er wies in dem Bewerbungsschreiben darauf hin, dass er in einem Zeitarbeitsverhältnis steht und aktuell im Betrieb der Arbeitgeberin als Maschinenführer eingesetzt ist.

In der Zeit von September 2017 bis August 2019 arbeitete er nun als ungelernter Maschinenführer in der Lkw-Produktion, im Rahmen von 2 Verlängerungen des ursprünglich bis Ende 2017 befristeten Arbeitsvertrages.

Im September 2019 machte der Maschinenführer vor dem Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Befristung seines Arbeitsverhältnisses zu Ende August 2019 geltend. Die Befristung sei wegen eines zuvor mit der Arbeitgeberin bestehenden Arbeitsverhältnisses nach § 14 Absatz 2 Satz 1 und 2 TzBfG (Teilzeitbefristungsgesetz) nicht zulässig.

Die Vorbeschäftigung in der Zeit vom 21. Juni bis 14. August 2004 liege nicht sehr lange zurück und sei auch weder von sehr kurzer Dauer noch ganz anders geartet gewesen.

Die Arbeitgeberin argumentierte, die sehr lang zurückliegende, kurzzeitige und anders geartete Vorbeschäftigung des Maschinenführers sei kein Hindernis für die Befristung. Es habe sich seinerzeit um eine kurzzeitige Sommeraushilfe in der Pkw-Organisation gehandelt und der Maschinenführer habe in den acht Wochen im Jahre 2004 nur als Zuarbeiter für den Maschinenführer gearbeitet und dabei einfachste Hilfsarbeiten verrichtet.

Das Arbeitsgericht wies die Klage des Maschinenführers ab. Seine Berufung wies das Landesarbeitsgericht zurück. Mit seiner Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte er seinen Antrag weiter.

Das BAG entschied, die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das Arbeitsverhältnis der Parteien habe aufgrund der Befristung im Vertrag vom 29. Oktober 2018 mit Ablauf des 31. August 2019 geendet hat.

Die kalendermäßige Befristung des Arbeitsvertrags nach § 14 Absatz 2 TzBfG ist ohne Vorliegen eines Sachgrundes bis zur Dauer von zwei Jahren, bei höchstens dreimaliger Verlängerung, zulässig.

Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags ist nicht zulässig, wenn mit derselben Arbeitgeberin bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.

Die in § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG genannten Voraussetzungen wurden mit der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von zwei Jahren (vom 1. September 2017 bis zum 31. August 2019) sowie der zweimaligen Vertragsverlängerung eingehalten.

Entgegen der Auffassung des Maschinenführers erfasst § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG nicht ausnahmslos jede frühere Beschäftigung des Arbeitnehmers bei derselben Arbeitgeberin.

Frühere Beschäftigungen sind nur insoweit zu berücksichtigen, als die Gefahr einer Kettenbefristung besteht.

Die Arbeitnehmer sollen vor Kettenbefristungen geschützt werden, um die Gefahr der Ausnutzung ihrer strukturellen Unterlegenheit und ihrer sozialen Sicherung, durch eine Abkehr vom unbefristeten Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform, abzuwenden.

Das Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei derselben Arbeitgeberin ist unzumutbar, soweit keine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten besteht und das Verbot nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten.

Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. So liegt es etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul-, Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht.

Das Bundesverfassungsgericht hat nicht näher ausgeführt, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt, „ganz anders“ geartet oder „von sehr kurzer“ Dauer war. Bei der Anwendung und Konkretisierung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe bedarf es einer Würdigung des Einzelfalls.

Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien enthalten Wertungsspielräume („unzumutbar“, „sehr lang“ zurückliegend, „ganz anders“ geartet, „von sehr kurzer“ Dauer). Grundsätzlich obliegt diese Bewertung den Gerichten der Tatsacheninstanzen.

Für das Landesarbeitsgericht war entscheidend, dass die Vorbeschäftigung des Maschinenführers bei der Arbeitgeberin im Sommer 2004 sehr kurz gewesen ist und diesem Kriterium Gewicht zukommt, weil sie nicht sehr lang war, aber lange zurück lag. Bei einer gemeinsamen Wertung beider Kriterien ist anzunehmen, dass die Anwendung von § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG in diesem Fall für beide Parteien unzumutbar ist.

Mit Bezug auf die sozialversicherungsrechtliche Regelung des § 8 Absatz 1 Nr. 2 SGB IV (Sozialgesetzbuch) liegt eine zeitlich geringfügige Beschäftigung u.a. vor, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart oder im Voraus vertraglich begrenzt ist, es sei denn, dass die Beschäftigung berufsmäßig ausgeübt wird und ihr Entgelt 450,00 Euro im Monat übersteigt.

Eine Dauer des Arbeitsverhältnisses von höchstens drei Monaten stellt im Vergleich zur zulässigen Gesamtdauer nach § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG (Teilzeitbefristungsgesetz) von 24 Monaten gerade 1/8 dar. Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das im Sommer 2004 für acht Wochen bestehende Arbeitsverhältnis der Parteien als ein solches von sehr kurzer Dauer angesehen hat.

Es ist zu berücksichtigen, dass die vorangegangene (sehr kurze) Tätigkeit bereits 13 Jahre zurücklag. Es liegt innerhalb des Beurteilungsspielraums der Tatsachengerichte, die Unzumutbarkeit der Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG anzunehmen, wenn eine sehr kurze Vorbeschäftigung bei Abschluss des sachgrundlos befristeten Vertrags bereits 13 Jahre zurücklag.

Die Beschäftigung des Maschinenführers als Leiharbeitnehmer im Betrieb der Arbeitgeberin ist im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit ohne Bedeutung. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung ist auf eine Vorbeschäftigung bei derselben Vertragsarbeitgeberin beschränkt.

Der auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses über den 31. August 2019 hinaus gerichtete Feststellungsantrag ist offenkundig unbegründet, da das Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsvereinbarung zu diesem Zeitpunkt geendet hat.