Arbeitsgericht Duisburg, Urteil vom 10.03.2023, Aktenzeichen 5 Ca 138/22
Das Arbeitsgericht Duisburg hat die fristlose Kündigung der Arbeitgeberin vom 13.01.2022 eines bei ihr als Rezeptionist in der Spätschicht beschäftigten Arbeitnehmers mit Urteil vom 10.03.2023 zurückgewiesen und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst worden ist.
Der klagende Arbeitnehmer ist Eigentümer eines Hybridautos, welches er am 12.01.2022 an einer 220-Volt-Steckdose im Seminartrakt des Gebäudes der Arbeitgeberin aufgeladen hat. Die Parteien waren uneins über die Dauer des Aufladevorgangs an diesem Tag und darüber, ob der Kläger das Auto weitere Mal bei der Arbeitgeberin geladen habe. Eine bei der Arbeitgeberin existierende Hausordnung untersagt zudem ausdrücklich aus Sicherheitsgründen das Aufladen von Akkus für Elektromotoren in den Räumen der Arbeitgeberin.
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die von der Arbeitgeberin nach Kenntniserlangung des Vorgangs ausgesprochene außerordentliche Kündigung und behauptet, am fraglichen Tag sein Fahrzeug nur für wenige Minuten an der Steckdose der Beklagten geladen zu haben, um nach dem Ende seiner an diesem Tag bis 24 Uhr dauernden Spätschicht mit dem Fahrzeug noch bis nach Hause fahren zu können. Er führt aus, dass es an dem Tag auf der Anfahrt zur Arbeitsstelle zu einem unerwarteten und nicht nachvollziehbaren technischen Leistungsabfall des Akkus seines Wagens kam. Er ging auch unter Bezugnahme auf die seitens der Arbeitgeberin bestehenden Fürsorgepflicht davon aus, dass die Arbeitgeberin ihm entsprechende Hilfestellung bei seinem Problem geben würde, um nach Ende seines Spätdienstes noch mit seinem Fahrzeug nach Hause fahren zu können.
Er verwies zudem auf die der Arbeitgeberin bekannten und ansonsten geduldeten Aufladung von Akkus privater Sachen wie Mobiltelefonen, Tablets, E-Bikes und E-Rollern u. a. mehr durch sämtliche Mitarbeiter. Er ging von einer betrieblichen Übung aus und mithin davon, dass das kurzzeitige Laden des Akkus seines Wagens nicht gegen den Willen der Arbeitgeberin verstoßen würde, sondern vielmehr von diesem gedeckt sei. Er macht geltend, dass selbst, wenn ein Verstoß gegen den Arbeitsvertrag vorliegen sollte, die Arbeitgeberin ihn vor einer außerordentlichen Kündigung zunächst hätte abmahnen müssen.
Die Arbeitgeberin trug vor, dass der Kläger nach Aussagen anderer Mitarbeiter seinen Wagen mehrfach über die Steckdose der Arbeitgeberin geladen habe. Die Ladezeit am 12.01.2022 betrug zirka 20 Minuten und hätte einen Stromdiebstahl von 0,76 Kw und einem finanziellen Schaden von 0,4076 Euro bewirkt. Aus Sicht der Arbeitgeberin sei der finanzielle Schaden zwar gering, es läge aber ein erheblicher Vertrauensmissbrauch vor, weil der Kläger zuvor schon von anderen Mitarbeitern aufgefordert worden war, den Stromdiebstahl zu unterlassen. Da das Aufladen von Akkus privater Sachen durch die Arbeitgeberin generell untersagt war, sei es auch nicht mi der betrieblichen Übung konform. Die Arbeitgeberin sah den Ausspruch einer Abmahnung nicht als geeignetes Mittel und damit als entbehrlich an, da der Kläger unter keinen Umständen damit hätte rechnen können, sie würde die Pflichtverletzung hinnehmen. Es handele sich auf Seiten des Arbeitnehmers um strafbares Verhalten. Es sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger einem Zeugen gegenüber ernsthaft und endgültig erklärt habe, sein Verhalten nicht ändern zu wollen und sein Fahrzeug weiterhin bei der Arbeitgeberin geladen habe. Die Arbeitgeberin sah die von ihr durchgeführte Interessenabwägung zu Lasten des Arbeitnehmers ausfallend. Zu berücksichtigen sei die nicht einmal vierjährige Beschäftigungsdauer des Klägers bei der Arbeitgeberin sowie der Umstand, dass dieser ledig und ohne Unterhaltsverpflichtung sei und in seinem Alter von 25 Jahren gute Aussichten auf dem Arbeitsmarkt hinsichtlich eines neuen Beschäftigungsverhältnisses habe. Aus ihrer Sicht wäre das Arbeitsverhältnis zumindest gegen Zahlung einer Abfindung aufzulösen, da der Arbeitnehmer dem Leiter Willkür und unlauteres Verhalten in seinem Klagevortrag unterstelle.
Das Gericht hat eine Beweisaufnahme durch die Vernehmung zweier Zeugen durchgeführt.
Im Ergebnis der Beweisaufnahme hat das Arbeitsgericht die fristlose Kündigung als unwirksam erachtet, das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die Kündigung der Arbeitgeberin vom 13.01.2022 nicht aufgelöst.
Vorliegend sei der Fall nicht gegeben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Arbeitgeberin aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aufgelöst werden konnte. Es läge zwar ein wichtiger Grund an sich vor, dieser berechtige jedoch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne das zuvor eine Abmahnung ausgesprochen wurde. Das Gericht ging im Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass der Kläger sein Auto mehrere Male an der Steckdose der Arbeitgeberin geladen hat, was den wichtigen Grund an sich darstelle, weil es sich bei dem Eigentumsdelikt um eine durchaus schwerwiegende Verletzung des Vertrauens der Arbeitgeberin handelt. Die Kammer war jedoch der Auffassung, dass die Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Interessen des Arbeitnehmers und der Arbeitgeberin die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht rechtfertigen. Vielmehr wäre durch die Arbeitgeberin zuvor eine ausdrückliche Abmahnung erforderlich auszusprechen gewesen. Die Beweisaufnahme hat für das Gericht erbracht, dass zumindest das Laden von Handys – mithin kleinerer elektronischer Geräte – bei der Arbeitgeberin üblich war und von dieser geduldet wurde. Bei dem Hybridauto des Klägers handele es sich zwar um ein größeres elektronisches Gerät und das Laden eines solchen ist, was die Schwere des Verstoßes anbelangt, nicht mit dem Laden eines Handys vergleichbar, nichtdestotrotz sei bei der Bewertung des Pflichtverstoßes die teilweise Duldung der Ladung von Kleingeräten durch die Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Insoweit war vom Kläger nicht unbedingt zu erwarten, das ihm ohne weiteres klar sein musste, dass die Arbeitgeberin sein Verhalten nicht dulden werde und er damit den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses gefährde. Der Ausspruch einer Abmahnung vor dem Ausspruch der Kündigung ist aus dieser Sicht also erforderlich und war der Ansicht des Gerichts nach der Arbeitgeberin als zunächst milderes Mittel zumutbar.
Eine schriftliche Abmahnung lag nicht vor. Auch die Hinweise der Mitarbeiter an den Kläger, er solle das Aufladen unterlassen, da er sonst Ärger bekomme, führt nicht zur Entbehrlichkeit der Abmahnung. Die pauschalen Aussagen des Zeugen ersetzen nicht die eines Vorgesetzten des Klägers mit Personalverantwortung. Auch die existierende Hausordnung der Beklagten bringt das Gericht nicht zu einer anderen Bewertung, da diese sich in erster Linie ihrem Wortlaut – da direkt mehrfach als solche angesprochen – nach an die Gäste der Arbeitgeberin wendet. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass sich die Hausordnung durchaus auch an die Mitarbeiter richtet, ist diese in ihrer Wertigkeit nicht einem ausdrücklich gegenüber den Mitarbeitern als Arbeitnehmern erklärtem Verbot und ist erst recht keiner Abmahnung gleichzusetzen. Das Gericht seiht mithin die Voraussetzungen des § 626 I BGB nicht vorliegen. Eine Umdeutung der fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung scheitert ebenfalls an der Nichterteilung einer entsprechenden Abmahnung.
In der 2. Instanz vor dem Landesarbeitsgericht Dortmund haben sich die Parteien schlussendlich verglichen.