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Umgang mit Beschäftigtendaten – Anforderungen an spezifischere nationale Vorschriften

Europäischer Gerichtshof (EuGH – 1. Kammer) , Urteil vom 30.03.2023, Aktenzeichen C 34/21 (Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer beim Hessischen Kultusministerium / Minister des Hessischen Kultusministeriums)

 Tenor des Gerichts:

1. Art. 88 VO (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass eine nationale Rechtsvorschrift keine „spezifischere Vorschrift“ im Sinne von Abs. 1 dieses Artikels sein kann, wenn sie nicht die Vorgaben von Abs. 2 dieses Artikels erfüllt.

2. Art. 88 I und II VO (EU) 2016/679 ist dahin auszulegen, dass nationale Rechtsvorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten von Beschäftigten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext unangewendet bleiben müssen, wenn sie nicht die in ebendiesem Art. 88 I und II vorgegebenen Voraussetzungen und Grenzen beachten, es sei denn, sie stellen eine Rechtsgrundlage im Sinne von Art. EWG_DSGVO Artikel 6 III  DS-GVO dar, die den Anforderungen dieser Verordnung genügt.

 Zum Sachverhalt:

 Das Anliegen des Vorabentscheidungsersuchens betrifft die Interpretation von Artikel 88 Absatz 1 und 2 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016 L 119, S. 1; berichtigt in ABl. 2018 L 127, S. 2; im Folgenden: DS-GVO).

Zwischen den Parteien bestand Streit darüber, ob bei einem Live-Stream-Unterricht per Videokonferenz die Verarbeitung personenbezogener Daten durch § 23 I 1 HDSIG gedeckt sei.

Entscheidungsinhalt:

Die vorgelegten Fragen betreffen die Auslegung von Artikel 88 Absatz 1 und 2 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) in einem Rechtsstreit über die Verarbeitung personenbezogener Daten von Lehrkräften im Zusammenhang mit dem Livestreaming von Videokonferenzen für den öffentlichen Schulunterricht, den sie erteilen.

Zunächst muss geklärt werden, ob eine solche Datenverarbeitung, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) gemäß Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a auf die Verarbeitung personenbezogener Daten “im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt”, keine Anwendung findet und die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 165 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems verantwortlich sind, unter ihren sachlichen Anwendungsbereich fällt. Dies bejaht der EuGH. Folglich liegt eine Verarbeitung personenbezogener Daten von Lehrkräften während des Livestreams von öffentlichem Schulunterricht, den sie erteilen, wie im vorliegenden Fall diskutiert, im Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO).

Das Vorabentscheidungsersuchen offenbart zweitens, dass die betroffenen Lehrkräfte, die im Ausgangsrechtsstreit von der Verarbeitung personenbezogener Daten betroffen sind, Angestellte oder Beamte im öffentlichen Dienst des Landes Hessen sind. Daher stellt sich die Frage, ob eine solche Datenverarbeitung in den Anwendungsbereich von Artikel 88 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) fällt, der sich auf die “Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext” bezieht.

Es ist festzustellen, dass die DS-GVO weder den Begriff “Beschäftigte” noch den Begriff “Beschäftigungskontext” definiert oder auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist. Ohne einen solchen Verweis müssen diese Begriffe gemäß dem Grundsatz der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts und dem Gleichheitssatz in der Regel eine autonome und einheitliche Auslegung in der gesamten Union erhalten. Da die DS-GVO auch keine Definition für diese Begriffe bereitstellt, müssen sie entsprechend ihres üblichen Sprachgebrauchs interpretiert werden. Dabei sind der Kontext, in dem sie verwendet werden, und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgt werden, zu berücksichtigen.

Im üblichen Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff “Beschäftigte” eine Person, die im Rahmen eines Unterordnungsverhältnisses zu ihrem Arbeitgeber arbeitet und daher unter dessen Kontrolle steht (vgl. EuGH 18.3.2021 – C-578/19, ECLI:EU:C:2021:213 Rn. 42 = EuZW 2021, 512 = NJW-RR 2021, 500 – Kuoni Travel).

Ebenso besteht das wesentliche Merkmal des “Beschäftigungskontexts” darin, dass eine Person während einer bestimmten Zeit Leistungen für eine andere erbringt, indem sie deren Anweisungen folgt und als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. EuGH 15.7.2021 – C-742/19, ECLI:EU:C:2021:597 Rn. 49 = AP RL 2003/88/EG Nr. 39 = BeckRS 2021, 18433 – Ministrstvo za obrambo).

Da diese Merkmale sowohl für Beschäftigte im öffentlichen, als auch im privaten Sektor typisch sind, folgt daraus, dass die Begriffe “Beschäftigte” und “Beschäftigungskontext” im üblichen Sprachgebrauch Personen, die im öffentlichen Sektor beschäftigt sind, nicht ausschließen.

Die Tragweite von Artikel 88 Absatz 1 der DS-GVO kann nicht anhand des Rechtsverhältnisses zwischen dem Beschäftigten und dem Arbeitgeber bestimmt werden. Daher ist es unerheblich, ob die betreffende Person als Angestellter oder Beamter beschäftigt ist oder ob ihr Beschäftigungsverhältnis öffentlichem oder privatem Recht unterliegt, da solche rechtlichen Qualifizierungen je nach den nationalen Rechtsvorschriften variieren können und daher kein geeignetes Kriterium für eine einheitliche und autonome Auslegung dieser Bestimmung darstellen (vgl. entsprechend EuGH 12.2.1974 – 152/73, ECLI:EU:C:1974:13 Rn. 5 = BeckRS 1974, 106456 – Sotgiu, und 3.6.1986 – 307/84, ECLI:EU:C:1986:222 Rn. 11 = BeckRS 2004, 73107 – Kommission/Frankreich).

Daher lässt sich aus der Erwähnung der “Erfüllung des Arbeitsvertrags” in Artikel 88 Absatz 1 der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) nicht ableiten, dass die Beschäftigung im öffentlichen Sektor, die nicht auf einem Arbeitsvertrag beruht, vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausgenommen ist.

Die gleiche Schlussfolgerung ergibt sich hinsichtlich der Erwähnung von “innerhalb einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Unternehmen, die eine gemeinsame Wirtschaftstätigkeit ausüben” in Artikel 88 Absatz 2 der DS-GVO. Die beiden anderen Punkte, nämlich die Transparenz der Verarbeitung und die Überwachungssysteme am Arbeitsplatz, sind sowohl für die Beschäftigung im privaten Sektor als auch für die Beschäftigung im öffentlichen Sektor relevant, unabhängig von der Art des Rechtsverhältnisses zwischen dem Beschäftigten und dem Arbeitgeber.

Die Auslegung, die sich aus dem Wortlaut von Artikel 88 der DS-GVO ergibt, wird durch den Kontext, in den sich dieser Artikel einfügt, sowie durch das Ziel, das mit der Regelung, zu der er gehört, verfolgt wird, bestätigt.

Gemäß Artikel 1 Absatz 1 der DS-GVO und insbesondere den Erwägungsgründen 9, 10 und 13 soll die Verordnung eine grundsätzlich vollständige Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften zum Schutz personenbezogener Daten sicherstellen. Allerdings geben bestimmte Bestimmungen der Verordnung den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, zusätzliche, strengere oder einschränkende nationale Vorschriften vorzusehen und ihnen ein Ermessen bei der Umsetzung dieser Bestimmungen zu lassen (sogenannte “Öffnungsklauseln”). Artikel 88 der DS-GVO, der zu Kapitel IX (“Vorschriften für besondere Verarbeitungssituationen”) gehört, stellt eine solche Öffnungsklausel dar, indem er den Mitgliedstaaten die Befugnis einräumt, “spezifischere Vorschriften” zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten bei der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext zu erlassen.

Die Besonderheiten der Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungskontext und die den Mitgliedstaaten durch Artikel 88 Absatz 1 der DS-GVO eingeräumte Befugnis ergeben sich insbesondere aus dem Bestehen eines Unterordnungsverhältnisses zwischen dem Beschäftigten und dem Arbeitgeber, nicht jedoch aus der Art des Rechtsverhältnisses zwischen beiden.

Zudem soll die DS-GVO gemäß Artikel 1 Absatz 2 in Verbindung mit dem 10. Erwägungsgrund ein hohes Schutzniveau für die Grundrechte und -freiheiten von natürlichen Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten gewährleisten, wobei dieses Schutzrecht auch in Artikel 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) anerkannt wird und eng mit dem in Artikel 7 GRCh verankerten Recht auf Achtung des Privatlebens verbunden ist.

In Übereinstimmung damit ist eine breite Auslegung von Artikel 88 Absatz 1 der DS-GVO angemessen, wonach die “spezifischeren Vorschriften”, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten bei der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext vorsehen können, alle Beschäftigten unabhängig von der Art des Rechtsverhältnisses betreffen können, das zwischen ihnen und dem Arbeitgeber besteht.

In Anbetracht dieser Umstände fällt die Verarbeitung personenbezogener Daten von Lehrkräften im Rahmen des Videokonferenz-Livestreams des öffentlichen Schulunterrichts, den sie erteilen, in den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich von Artikel 88 der DS-GVO.

Zur ersten Frage:

In Bezug auf die erste Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Artikel 88 der DS-GVO so auszulegen ist, dass eine nationale Rechtsvorschrift, um als “spezifischere Vorschrift” gemäß Absatz 1 dieses Artikels eingestuft zu werden, die Anforderungen von Absatz 2 erfüllen muss.

Wie bereits in Absatz 52 oben erläutert wurde, haben die Mitgliedstaaten das Recht, aber nicht die Pflicht, solche Vorschriften zu erlassen, die entweder durch Gesetze oder kollektive Vereinbarungen festgelegt werden können. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten, wenn sie von der Öffnungsklausel der DS-GVO Gebrauch machen, ihre Befugnisse im Rahmen der Bestimmungen dieser Verordnung ausüben und dürfen daher keine Rechtsvorschriften erlassen, die dem Inhalt und den Zielen der DS-GVO widersprechen (vgl. dazu EuGH 28.4.2022 – C-319/20, ECLI:EU:C:2022:322 Rn. 60).

Um die Bedingungen und Grenzen zu bestimmen, denen die Vorschriften gemäß Artikel 88 Absatz 1 der DS-GVO unterliegen, und somit das Ermessen zu beurteilen, das den Mitgliedstaaten durch diese Bestimmungen gewährt wird, ist zu beachten, dass bei der Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in dem sie steht, sowie die Ziele und Zwecke des Rechtsakts, zu dem sie gehört, berücksichtigt werden müssen (vgl. EuGH 15.3.2022 – C-302/20, ECLI:EU:C:2022:190 Rn. 63).

Was den Wortlaut von Artikel 88 Absatz 1 DS-GVO betrifft, so ergibt sich zunächst aus der Verwendung des Begriffs “spezifischere”, dass die Vorschriften im Sinne dieser Bestimmung einen Regelungsgehalt haben müssen, der zum jeweiligen Bereich passt und sich von den allgemeinen Regeln der DS-GVO unterscheidet. Weiterhin besteht das Ziel der auf dieser Grundlage erlassenen Vorschriften darin, die Rechte und Freiheiten der Beschäftigten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext zu schützen. Schließlich ergibt sich aus den verschiedenen Zwecken, zu denen die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Artikel 88 Absatz 1 DS-GVO erfolgen kann, dass die “spezifischeren Vorschriften” sich auf eine breite Palette von Verarbeitungen im Beschäftigungskontext beziehen können und somit alle Zwecke umfassen, für die die Verarbeitung personenbezogener Daten in diesem Kontext erfolgen kann. Da die Aufzählung dieser Zwecke nicht abschließend ist, haben die Mitgliedstaaten ein Ermessen hinsichtlich der Verarbeitungen, die diesen spezifischeren Vorschriften unterliegen (vgl. EuGH 15.3.2022 – C-302/20, ECLI:EU:C:2022:190 Rn. 63).

Artikel 88 Absatz 2 der DS-GVO sieht vor, dass die auf der Grundlage von Absatz 1 erlassenen Vorschriften geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person, insbesondere im Hinblick auf die Transparenz der Verarbeitung, die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Unternehmen, die eine gemeinsame Wirtschaftstätigkeit ausüben, und die Überwachungssysteme am Arbeitsplatz, umfassen müssen.

Folglich ergibt sich aus dem Wortlaut von Artikel 88 der DS-GVO, dass Absatz 2 den Rahmen für das Ermessen der Mitgliedstaaten festlegt, die beabsichtigen, “spezifischere Vorschriften” gemäß Absatz 1 zu erlassen. Diese Vorschriften dürfen sich nicht auf eine bloße Wiederholung der Bestimmungen der DS-GVO beschränken, sondern müssen auf den Schutz der Rechte und Freiheiten der Beschäftigten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext abzielen und geeignete und besondere Maßnahmen zur Wahrung der menschlichen Würde, der berechtigten Interessen und der Grundrechte der betroffenen Person umfassen. Insbesondere ist dabei im Hinblick auf die Transparenz der Verarbeitung, die Übermittlung personenbezogener Daten innerhalb einer Unternehmensgruppe oder einer Gruppe von Unternehmen, die eine gemeinsame Wirtschaftstätigkeit ausüben, und die Überwachungssysteme am Arbeitsplatz vorzugehen.

In Anbetracht all dessen ist auf die erste Frage zu antworten, dass Artikel 88 der DS-GVO so auszulegen ist, dass eine nationale Rechtsvorschrift keine “spezifischere Vorschrift” im Sinne von Absatz 1 dieses Artikels sein kann, wenn sie nicht die Anforderungen von Absatz 2 dieses Artikels erfüllt.

Zur zweiten Frage: 

Das vorlegende Gericht stellt mit seiner zweiten Frage im Wesentlichen die Frage nach den Konsequenzen, die sich ergeben, wenn festgestellt wird, dass nationale Rechtsvorschriften zum Schutz der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten im Beschäftigungskontext nicht mit den in Artikel 88 Absatz 1 und 2 der DS-GVO festgelegten Bedingungen und Grenzen vereinbar sind.

Es ist wichtig zu betonen, dass gemäß Artikel 288 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eine Verordnung in allen ihren Teilen verbindlich ist und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat gilt. Daher bedürfen die Vorschriften grundsätzlich keiner nationalen Durchführungsmaßnahmen (vgl. EuGH 15.6.2021 – C-645/19, ECLI:EU:C:2021:483 Rn. 109).

Dennoch bieten Öffnungsklauseln in der DS-GVO den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, zusätzliche, strengere oder einschränkende nationale Vorschriften vorzusehen und ihnen ein Ermessen hinsichtlich der Umsetzung dieser Bestimmungen zu lassen (vgl. oben Absatz 51). Wenn die Mitgliedstaaten von dieser Befugnis Gebrauch machen, müssen sie jedoch sicherstellen, dass ihre Rechtsvorschriften den Inhalt und die Ziele der DS-GVO nicht verletzen (vgl. oben Absatz 59).

Es obliegt dem vorlegenden Gericht, das allein für die Auslegung des nationalen Rechts zuständig ist, zu beurteilen, ob die betreffenden Bestimmungen im Einklang mit den in Artikel 88 der DS-GVO festgelegten Voraussetzungen und Grenzen stehen, wie sie in Absatz 74 oben zusammengefasst wurden.

Es scheint jedoch, wie der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen festgestellt hat, dass Bestimmungen wie § 23 Absatz 1 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes (HDSIG) und § 86 Absatz 4 des Hessischen Beamtengesetzes (HBG), die die Verarbeitung personenbezogener Daten von Beschäftigten davon abhängig machen, dass sie für bestimmte Zwecke im Zusammenhang mit einem Beschäftigungs- oder Dienstverhältnis erforderlich sind, die bereits in Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der DS-GVO festgelegte Bedingung für die allgemeine Rechtmäßigkeit der Verarbeitung wiederholen, ohne eine spezifischere Vorschrift gemäß Artikel 88 Absatz 1 der DS-GVO hinzuzufügen. Solche Bestimmungen scheinen also keinen Regelungsgehalt zu haben, der sich von den allgemeinen Regeln der DS-GVO unterscheidet.

Falls das vorlegende Gericht feststellt, dass die nationalen Bestimmungen über die Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungskontext nicht den in Artikel 88 Absatz 1 und 2 der DS-GVO festgelegten Voraussetzungen und Grenzen entsprechen, muss es diese Bestimmungen grundsätzlich unangewendet lassen.

Gemäß dem Grundsatz des Vorrangs des Unionsrechts führt die Inkraftsetzung von Vertragsbestimmungen und unmittelbar geltenden Rechtsakten der Organe dazu, dass jede entgegenstehende nationale Bestimmung ohne Weiteres unanwendbar wird (vgl. EuGH 9.3.1978 – 106/77, ECLI:EU:C:1978:49 Rn. 17). In Ermangelung spezifischerer Vorschriften, die die in Artikel 88 der DS-GVO festgelegten Voraussetzungen und Grenzen beachten, wird die Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungskontext sowohl im privaten als auch im öffentlichen Sektor unmittelbar durch die Bestimmungen der DS-GVO geregelt.

Das vorlegende Gericht muss jedoch prüfen, ob die betreffenden Bestimmungen eine Rechtsgrundlage gemäß Artikel 6 Absatz 3 der DS-GVO in Verbindung mit deren 45. Erwägungsgrund darstellen, die den Anforderungen dieser Verordnung genügt. Ist dies der Fall, darf die Anwendung der nationalen Vorschriften nicht ausgeschlossen werden.

In Anbetracht all dessen ist auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Artikel 88 Absatz 1 und 2 der DS-GVO so auszulegen sind, dass nationale Rechtsvorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten von Beschäftigten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten im Beschäftigungskontext unangewendet bleiben müssen, wenn sie nicht den in eben diesem Artikel 88 Absatz 1 und 2 vorgegebenen Voraussetzungen und Grenzen entsprechen, es sei denn, sie stellen eine Rechtsgrundlage gemäß Artikel 6 Absatz 3 der DS-GVO dar, die den Anforderungen dieser Verordnung genügt.