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Fristlose Kündigung nach Bedrohung mit dem Messer

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein (5. Kammer), Urteil vom 13.07.2023, Aktenzeichen 5 Sa 5/23

Amtliche Leitsätze:

1. Eine ernstliche Bedrohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben u.a. von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen, für die kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund eingreift, kommt “an sich” als wichtiger Grund i.S.v. § 626 Absatz 1 BGB in Betracht. Eine strafrechtliche Bedrohung i.S.v. § 241 StGB setzt voraus, dass der Arbeitnehmer/Täter mit dem Willen handelt, dass der Kollege/Vorgesetzte die Drohung zur Kenntnis nimmt und als ernst gemeint auffasst.

2. Ein nur unsachgemäßer Umgang mit einem Filetiermesser, durch welchen sich Kollegen oder Vorgesetzte bedroht fühlen, setzt vor Ausspruch einer Kündigung in aller Regel eine vorherige Abmahnung voraus.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 11.07.2022 sowie einer hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 14.07.2022, die zum 31.10.2022 aus verhaltensbedingten Gründen ausgesprochen wurden.

Der 29-jährige Kläger ist seit dem 01.06.2019 bei der Beklagten als Industriemechaniker beschäftigt und erhält ein Monatsgehalt von 3.666,54 € brutto. Am 01.06.2022 arbeitete der Kläger zusammen mit der Mitarbeiterin A. am Probierstand, wobei auch der Mitarbeiter G. anwesend war. Strittig ist zwischen den Parteien, ob der Kläger gegen 9:20 Uhr der Zeugin A. ein scharfes Filetiermesser mit einer Klingenlänge von 20 cm in einem Abstand von 10 bis 20 cm an den Hals hielt und damit eine akute, ernsthafte Gefährdung für Leib und Leben der Mitarbeiterin darstellte. 

Aufgrund der Ausführungen der Zeugin und Gesprächen mit dem Kläger sowie dem Zeugen stellte die Beklagte den Kläger am 28.06.2022 von der Arbeit frei und erteilte ihm ein Hausverbot.

Am 05.07.2022 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Verdachtskündigung an. Der Betriebsrat gab hierzu keine Stellungnahme ab.

Das Arbeitsgericht hat der Klage statt gegeben. Die Berufung der Beklagten hiergegen war erfolglos.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie wurde gemäß § 64 Abs. 2 lit. c ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet, § 66 Abs. 1 ArbGG; § 519 ZPO.

In der Sache selbst bleibt die Berufung jedoch erfolglos, da sie unbegründet ist.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Die von der Beklagten vorgebrachten Einwände führen zu keinem anderen Ergebnis. Das Arbeitsverhältnis endete weder durch die außerordentliche Kündigung vom 11.07.2022 als sogenannte Tatkündigung (I.) noch als Verdachtskündigung (II.). Auch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung vom 14.07.2022 ist sozial ungerechtfertigt und somit rechtswidrig (III.).

I.

Der von der Beklagten geschilderte und vom Kläger bestrittene Vorfall vom 01.06.2022 stellt keine so schwerwiegende Vertragsverletzung dar, die ohne vorherige Abmahnung eine fristlose Tatkündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen würde.

  1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und der Abwägung der Interessen beider Vertragspartner eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ende der Kündigungsfrist unzumutbar machen. Die rechtliche Prüfung nach § 626 Abs. 1 BGB erfolgt in zwei Stufen: Zunächst muss ein Grund vorliegen, der an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Danach muss dieser Grund im Rahmen der Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Verhältnismäßigkeitsprinzips, das überwiegende Interesse des Kündigenden an der fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses begründen (BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16 –, Rn. 11, juris). Wenn die Pflichtverletzung auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers beruht, kann grundsätzlich angenommen werden, dass sein zukünftiges Verhalten bereits durch die Androhung von Folgen für das Arbeitsverhältnis positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigungen wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen daher in der Regel eine Abmahnung voraus. Eine Abmahnung ist gemäß § 314 Abs. 2 in Verbindung mit § 323 Abs. 2 BGB nur dann entbehrlich, wenn bereits im Voraus erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar ist und somit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 20.11.2014 – 2 AZR 651/13 –, Rn. 22, juris; BAG, Urteil vom 23.10.2014 – 2 AZR 865/13 –, Rn. 47, juris; BAG, Urteil vom 25.10.2012 – 2 AZR 495/11 – Rn. 16, juris).

Eine ernsthafte Drohung des Arbeitnehmers mit Gefahren für Leib oder Leben von Vorgesetzten oder Arbeitskollegen, für die kein allgemeiner Rechtfertigungsgrund vorliegt, kann „an sich“ als wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB in Betracht kommen (BAG, Urteil vom 28.02.2023 – 2 AZR 194/22 –, Rn. 10, juris; BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 47/16 – Rn. 23, juris). Bei einer Bedrohung von Kollegen handelt es sich um eine erhebliche Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Der Arbeitgeber hat ein schutzwürdiges Interesse daran, dass seine Arbeitnehmer respektvoll miteinander umgehen und gut zusammenarbeiten (BAG, Urteil vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20 –, Rn. 23, juris). Ob im Falle einer ernsthaften Bedrohung für Leib und Leben eines Kollegen vor Ausspruch einer fristlosen Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist, hängt von den Gesamtumständen des Einzelfalls ab.

Unter diesen Voraussetzungen lagen die Bedingungen für eine fristlose Tatkündigung nicht vor.

Die Beklagte stützt die außerordentliche Tatkündigung nicht auf den strafrechtlichen Tatbestand der Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 StGB. Stattdessen argumentiert sie, dass der Kündigungsgrund in der durch das Verhalten des Klägers verursachten konkreten Gefährdung von Leib und Leben der Zeugin A. liegt.

a) Selbst wenn man den Vortrag der Beklagten zum Vorfall vom 01.06.2022 als wahr unterstellt, lässt sich nicht feststellen, dass die subjektiven Anforderungen des Straftatbestands der Bedrohung erfüllt sind. Für den subjektiven Tatbestand der Bedrohung gemäß § 241 Abs. 1 oder 2 StGB ist mindestens bedingter Vorsatz erforderlich. Der Täter muss sich der objektiven Bedeutung seiner Ankündigung bewusst sein und mit dem Willen handeln, dass die Drohung zur Kenntnis des Bedrohten gelangt und von diesem als ernst gemeint aufgefasst wird (MüKoStGB/Sinn, 4. Aufl. 2021, StGB § 241 Rn. 17). Aus der von der Beklagten beschriebenen Tathandlung kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der Kläger bedingten Vorsatz hatte. Es ist ebenso möglich, dass der Kläger sich einfach mit dem Messer in der rechten Hand zur Zeugin A. drehte und dabei seine Hand mit dem Messer nahe an ihren Hals gelangte. Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger auf einem Stuhl saß und die Zeugin A. auf einer Palette, was eine um etwa 15 cm niedrigere Sitzposition bedeutet. Durch diese Sitzpositionen und den Umstand, dass die Zeugin A. kleiner ist als der Kläger, hätte das Messer auch dann in die Nähe ihres Halses gelangen können, wenn der Kläger seinen rechten Arm mit dem Messer in der Hand am Körper hielt, ohne das Messer aktiv in Richtung ihres Halses zu bewegen. Auch der Umstand, dass der Kläger – selbst nach dem Vortrag der Beklagten – das Messer sofort wegnahm, als die Zeugin A. dies forderte, spricht gegen eine absichtliche Bedrohung.

b) Die Tatkündigung kann auch nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger durch das Hantieren mit dem Messer Leib und Leben der Zeugin A. objektiv und fahrlässig gefährdet hat. Der unsachgemäße Umgang mit einem Messer stellt zwar eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar, hätte jedoch nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vor einer fristlosen Kündigung abgemahnt werden müssen.

aa) Im Rahmen der nach § 626 Abs. 1 BGB erforderlichen Interessenabwägung muss geprüft werden, ob dem Kündigenden eine mildere Reaktion als eine fristlose Kündigung, insbesondere eine Abmahnung oder eine fristgerechte Kündigung, zumutbar war. Ordentliche und außerordentliche Kündigungen wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen regelmäßig eine Abmahnung voraus. Eine Abmahnung ist gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur dann entbehrlich, wenn bereits im Voraus erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist, oder wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar ist und somit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urteil vom 27.02.2020 – 2 AZR 570/19 – Rn. 23, juris; BAG, Urteil vom 13.12.2018 – 2 AZR 370/18 –, Rn. 30, juris; BAG, Urteil vom 29.06.2017 – 2 AZR 302/16 – Rn. 28, juris). Liegt nur eine dieser Fallgruppen vor, kann das Ergebnis der Interessenabwägung nicht sein, den Kündigenden auf eine Abmahnung als milderes Mittel zu verweisen (vgl. BAG, Urteil vom 27.02.2020 – 2 AZR 570/19 – Rn. 24, juris). Die zweite Fallgruppe betrifft ausschließlich das Gewicht der in Rede stehenden Vertragspflichtverletzung, die für sich genommen eine weitere Zusammenarbeit irreparabel unmöglich macht. Dieses bemisst sich unabhängig von einer Wiederholungsgefahr. Die Schwere einer Pflichtverletzung kann zwar nur anhand der sie beeinflussenden Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, diese müssen aber die Pflichtwidrigkeit selbst oder die Umstände ihrer Begehung betreffen. Dazu gehören etwa Art und Ausmaß der Pflichtverletzung, ihre Folgen, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers sowie die Situation bzw. das „Klima“, in dem sie sich ereignete. Sonstige Umstände, die Gegenstand der weiteren Interessenabwägung sein können, wie etwa ein bislang unbelastetes Arbeitsverhältnis, sind bei der Prüfung der Schwere der Pflichtverletzung außer Betracht zu lassen. Dies gilt umgekehrt ebenso für ein nachfolgendes wahrheitswidriges Bestreiten, das für sich genommen ebenfalls nichts über die Schwere der begangenen Pflichtverletzung aussagt (BAG, Urteil vom 20.05.2021 – 2 AZR 596/20 –, Rn. 27, juris).

bb) Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzungen hätte der unsachgemäße und möglicherweise auch gefährliche Umgang mit dem Messer zuvor abgemahnt werden müssen. Es ist insbesondere zu beachten, dass auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht eindeutig feststeht, dass der Kläger das Messer bewusst und aktiv an den Hals der Zeugin A. gehalten hat. Aufgrund der Behauptungen der Beklagten besteht auch die Möglichkeit, dass der Kläger sich bei seiner Drehbewegung mit dem Messer in der Hand zu nahe an den Hals der Zeugin A. gedreht hat. Es kam unstreitig zu keiner Verletzung der Zeugin A. und der Kläger nahm das Messer sofort weg, als die Zeugin A. dies forderte. Auch das Lachen der Zeugin nach dem Vorfall deutet darauf hin, dass die Situation nicht als ernsthafte Bedrohung empfunden wurde. Vor diesem Hintergrund kann nicht von einem derart schwerwiegenden Pflichtverstoß ausgegangen werden, der eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger irreparabel zerstört hätte. Der unsachgemäße Umgang mit dem Filetiermesser – selbst unter Annahme der Schilderungen der Beklagten – hätte daher vor einer fristlosen Kündigung abgemahnt werden müssen. Es gibt keine Hinweise darauf, dass der Kläger sich durch eine Abmahnung nicht hätte warnen lassen. Auch spricht für die Einsichtsfähigkeit des Klägers, dass er das Messer sofort vom Hals der Zeugin A. entfernte, als sie dies forderte.

II.

Die Beklagte kann die außerordentliche Kündigung auch nicht erfolgreich auf den dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen schweren arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung stützen.

  1. Der dringende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer schwerwiegenden arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung sein. Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn starke, auf objektiven Tatsachen basierende Verdachtsmomente vorliegen, die das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstören, und wenn der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen und dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. Der Verdacht muss auf konkreten, vom Kündigenden darzulegenden und gegebenenfalls zu beweisenden Tatsachen beruhen und dringend sein, das heißt, es muss eine hohe Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Verdacht zutrifft. Die Umstände, die den Verdacht begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen erklärt werden können, das eine Kündigung nicht rechtfertigen würde. Bloße, auf mehr oder weniger haltbare Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen nicht aus (BAG, Urteil vom 02.03.2017 – 2 AZR 698/15 –, Rn. 22, juris; BAG, Urteil vom 17. März 2016 – 2 AZR 110/15 –, Rn. 39, juris).
  2. Nach diesen Maßstäben lag kein dringender Verdacht einer strafbaren Handlung oder schwerwiegenden Vertragsverletzung vor, die eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt hätte.

a) Aus der Berufungsbegründung geht nicht eindeutig hervor, auf welche konkrete Tathandlung des Klägers sich der dringende Tatverdacht bezieht. Die Beklagte hat ausdrücklich klargestellt, dass sie die Kündigung nicht auf eine strafrechtlich relevante Bedrohung gemäß § 241 StGB stützt und dem Kläger keinen Verdacht einer solchen Straftat vorwirft. Die Beklagte stützt den dringenden Tatverdacht somit ausschließlich auf eine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung. Dabei verkennt die Beklagte jedoch, dass ein dringender Tatverdacht nur dann einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt, wenn sich der Verdacht auf eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung bezieht.

Eine solche schwerwiegende Pflichtverletzung liegt hier jedoch selbst nach dem Vortrag der Beklagten nicht vor. Von einer derart schwerwiegenden Vertragsverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht, kann dann nicht ausgegangen werden, wenn selbst das Vorliegen einer entsprechenden Tatkündigung keinen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen würde. Selbst wenn bewiesen wäre, dass der Kläger am 01.06.2022 fahrlässig ein Filetiermesser an den Hals der Zeugin A. geführt hätte, würde eine derartige Pflichtverletzung ohne vorherige Abmahnung keine fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf Ziffer I. 2. a) dieser Entscheidungsgründe verwiesen werden.

b) Vorsorglich sei noch darauf hingewiesen, dass nach dem Vortrag der Beklagten auch kein dringender Verdacht einer Bedrohung gemäß § 241 StGB festgestellt werden kann. Dabei ist unerheblich, ob die Beklagte den Kläger zu dem Vorwurf einer strafrechtlich relevanten Bedrohung der Zeugin A. am 01.06.2022 ordnungsgemäß angehört hat.

Den von der Beklagten in der Betriebsratsanhörung und im vorliegenden Prozess geschilderten Aussagen der Zeugen A. und G. in deren Anhörungen vom 15.06. bzw. 27.06.2022 kann nicht entnommen werden, dass der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit das Messer durch eine bewusste Handlung an den Hals der Zeugin A. geführt hat, die diese nach den objektiven Gegebenheiten als ernsthafte Bedrohung ihrer körperlichen Unversehrtheit auffassen konnte. Gegen diese Annahme spricht, dass der Kläger das Messer sofort nach entsprechender Aufforderung von der Zeugin A. entfernte. Gegen die Ernsthaftigkeit einer Bedrohung spricht auch, dass die Zeugin A. nach dem (angeblichen) Vorfall lachte und sich erst am 14.06.2022 hilfesuchend an den Betriebsrat wandte. Am 07.06.2022 bat sie die Zeugin S., der sie sich anvertraut hatte, ausdrücklich, über den Vorfall Stillschweigen zu bewahren. Diese zögerliche Offenlegung einer (angeblichen) Bedrohung durch den Kläger mit einem scharfen Filetiermesser spricht gegen die Ernsthaftigkeit einer Bedrohung, sodass die Beklagte Anlass hatte, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Das Gleiche gilt für die eigentliche Tathandlung, auf die sich der Verdacht bezog. In welcher Hand hielt der Kläger das Messer? Welcher Höhenunterschied bestand zwischen der Zeugin A. und dem Kläger, als sie nebeneinander seitlich versetzt saßen? Hat sich der Kläger lediglich mit dem Messer in der Hand zur Zeugin gedreht oder das Messer durch eine zusätzliche Armbewegung bewusst an ihren Hals geführt? Die Aufklärung des Sachverhalts leidet auch darunter, dass die Beklagte keine Gesprächsprotokolle von den Anhörungen des Klägers vom 20.06. und 27.06.2022 sowie den Personalgesprächen der Zeugin A. vom 15.06.2022 und dem Zeugen G. vom 27.06.2022 führte. Angesichts dieser Zweifel am Tathergang liegt kein dringender Tatverdacht einer Bedrohung gemäß § 241 StGB zulasten der Zeugin A. vor, welcher eine außerordentliche Kündigung gerechtfertigt hätte.