BLOG RECHTSPRECHUNG

Option auf Home-Office ist kein weniger einschneidendes Mittel im Vergleich zu einer Änderungskündigung mit Änderung des Arbeitsortes

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (9. Kammer), Urteil vom 04.11.2024, Aktenzeichen 9 Sa 42/24

Amtlicher Leitsatz:

Die Möglichkeit, dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung aus dem Homeoffice zu gestatten, stellt kein milderes Mittel gegenüber einer Änderungskündigung dar, mit der der Arbeitsort des Arbeitnehmers geändert wird.

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung.

Der Kläger war seit dem 1. Mai 2008, nach mehreren Betriebsübergängen, zuletzt als Meister in der Endmontage von Kühltürmen und im Versand bei der Beklagten am Standort R. tätig. Die Beklagte beschäftigt insgesamt 88 Mitarbeiter, davon 7 am Standort R. Der Kläger erzielte zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt von 5.620,53 €. Grundlage seines Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 23. März 2008. In einer Änderungsvereinbarung vom 9. November 2026 wurde festgelegt: „§ 2 Tätigkeit/Dienstsitz/Zuweisung anderer Tätigkeiten & Versetzung (1) Der Arbeitnehmer wird als Meister in der Endmontage, Kühlturmbau & Versand eingestellt.“ 

Die Beklagte entschied im Dezember 2023, den Standort R. aus wirtschaftlichen Gründen zu schließen. Von den dort beschäftigten sieben Mitarbeitern erhielten sechs, darunter der Kläger, eine Änderungskündigung mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis unter ansonsten unveränderten Bedingungen am neuen Standort D. (ca. 240 km von S. entfernt) fortzusetzen. Die Mietverträge für die Räumlichkeiten in R. wurden gekündigt.

Am 15. April 2024 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit einem Schreiben, das ihm am 17. April 2024 zuging, zum 31. Oktober 2024. Ab dem 1. November 2024 wurde ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Konditionen am Dienstsitz D. angeboten, wobei ausdrücklich erwähnt wurde: „Alle übrigen Arbeitsvertragsbedingungen – bis auf den Arbeitsort – bleiben für Sie unverändert.“ 

In einem Schreiben vom 8. Mai 2024 teilte der Kläger über seinen Rechtsbeistand mit, dass er die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt annehme, dass diese nicht sozial ungerechtfertigt sei und dass seine Tätigkeit nicht zwingend in D. ausgeführt werden müsse; vielmehr könne er seine Aufgaben auch von Zuhause aus erledigen. Er erklärte zudem, dass er gegen Fahrtkostenerstattung bei Bedarf monatlich zu persönlichen Besprechungen nach D. kommen könne.

In der Vergangenheit hat der Kläger an mehreren Tagen pro Woche – wobei der genaue Umfang umstritten ist – von zu Hause aus gearbeitet. Er ist der Ansicht, dass die Beklagte ihm im Rahmen der betriebsbedingten Änderungskündigung als milderes Mittel hätte anbieten müssen, seine Tätigkeit vollständig im Homeoffice an seinem Wohnort in E. auszuüben und lediglich für notwendige Besprechungen etwa einmal im Monat nach D. zu reisen. Seit der Corona-Pandemie habe er bereits ein bis zwei Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten können, und die Art seiner Tätigkeit ermögliche eine vollständige Ausführung im Homeoffice ohne Probleme. Weder organisatorische noch wirtschaftliche Gründe sprächen gegen einen ausschließlichen Einsatz im Homeoffice, da ein Umzug in das 240 km entfernte D. für ihn unzumutbar sei.

Der Kläger hat beim Arbeitsgericht beantragt festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 15. April 2024 rechtsunwirksam sei. Die Beklagte beantragte hingegen die Abweisung der Klage und argumentierte, dass die Änderungskündigung sozial gerechtfertigt sei, da betriebsbedingte Kündigungsgründe aufgrund der unbestrittenen Schließung des Standorts R. vorlägen. Zudem bestünden keine weiteren Unwirksamkeitsgründe. Die Beklagte war der Meinung, dass es nicht erforderlich gewesen sei, dem Kläger die vollständige Durchführung seiner Tätigkeit im Homeoffice anzubieten. Vielmehr wolle sie – ähnlich wie andere namhafte Unternehmen – den Anteil an Homeoffice-Tätigkeiten reduzieren und halte Präsenzarbeit am Standort D. für effektiver und sinnvoller. Wirtschaftliche Aspekte sprächen ebenfalls gegen eine vollständige Arbeit im Homeoffice, insbesondere aufgrund erhöhter Fahrtkosten bei Reisen zum Betriebssitz.

Darüber hinaus sei die spezifische Tätigkeit des Klägers nicht für das Homeoffice geeignet, da er Personaleinsätze koordinieren und sich mit anderen Abteilungen abstimmen sowie Mitarbeiter fachlich und disziplinarisch führen müsse – Aufgaben, die aus einer Entfernung von 240 km nicht möglich seien.

Das Arbeitsgericht wies die Klage in seinem Urteil ab und stellte fest, dass sie als Kündigungsschutzantrag gemäß § 4 S. 1 KSchG auszulegen sei. Der Kläger habe dem Änderungsangebot nur modifiziert zugestimmt und es damit abgelehnt. Der Antrag sei unbegründet, da die Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt sei; unbestritten sei der Arbeitsplatz des Klägers in R. weggefallen. Die Beklagte habe dem Kläger nicht anbieten müssen, seine bisherige Tätigkeit vollständig im Homeoffice auszuführen, da es keinen entsprechenden freien Arbeitsplatz gebe. Es liege im Ermessen der Beklagten zu entscheiden, ob und wo Arbeitsplätze eingerichtet werden und in welchem Umfang Heimarbeit zulässig ist. Da die Beklagte weder in der Vergangenheit noch in Zukunft den Arbeitsplatz des Klägers als vollständigen Homeoffice-Arbeitsplatz vorgesehen habe oder vorhabe, bestehe kein anderer freier Arbeitsplatz, der als milderes Mittel im Rahmen der Änderungskündigung hätte angeboten werden müssen. Die unternehmerische Entscheidung, den Arbeitsplatz – wie bisher – nur maximal ein bis zwei Tage pro Woche als Homeoffice-Arbeitsplatz zu gestalten, könne vom Arbeitsgericht nicht dahingehend geändert werden, dass ein vollständiger Homeoffice-Arbeitsplatz gefordert werde.

Das arbeitsgerichtliche Urteil vom 31. Juli 2024 wurde dem Vertreter des Klägers am 5. August 2024 zugestellt. Die Berufung gegen dieses Urteil wurde fristgerecht am 14. August 2024 beim Landesarbeitsgericht eingereicht und am 28. August 2024 ebenfalls fristgerecht begründet. In seiner Berufungsbegründung führt der Kläger aus, dass das Arbeitsgericht nicht erkannt habe, dass es hier nicht um die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes gehe, sondern um die Beibehaltung seiner bisherigen Tätigkeit im Homeoffice. Ein neuer Arbeitsplatz sei nicht notwendig, da der Kläger bereits über einen Homeoffice-Arbeitsplatz verfüge. Entgegen den Feststellungen des arbeitsgerichtlichen Urteils habe er nicht nur an zwei Tagen pro Woche, sondern zeitweise an drei bis vier Tagen im Homeoffice gearbeitet und sich dort logistisch sowie technisch vollständig eingerichtet. Daher gehe es lediglich um die Fortführung seines bisherigen Arbeitsplatzes zu Hause. Die Schließung des Standorts in R. habe keinen Einfluss auf den Kläger und seinen bestehenden Homeoffice-Arbeitsplatz.

Das Ultima-Ratio-Prinzip gelte auch bei einem Standortwechsel. Die Möglichkeit, seine Tätigkeit weiterhin im Homeoffice auszuüben, stelle ein milderes Mittel dar. Das Arbeitsgericht habe zudem fälschlicherweise den Vortrag des Klägers ignoriert, dass er seine gesamte Arbeit problemlos aus dem Homeoffice erledigen könne. Es bestehe kein Bedarf für eine persönliche Anwesenheit des Klägers im Betrieb in D., und es werde ausdrücklich bestritten, dass die Produktivität der Mitarbeiter durch das Arbeiten im Homeoffice erheblich beeinträchtigt worden sei. Vielmehr habe die Pandemie einen Wertewandel bewirkt: Während dieser Zeit seien die Arbeitnehmer aufgefordert worden, sich an die veränderten Bedingungen anzupassen, was einen Anspruch auf die Aufrechterhaltung des Homeoffice impliziere.

Wenn ein Arbeitnehmer ins Homeoffice versetzt werde, müssten auch seine schutzwürdigen Interessen an der Beibehaltung dieser Arbeitsform berücksichtigt werden. Der Kläger ist der Ansicht, dass das Ermessen der Beklagten bei der Ausübung ihres Direktionsrechts – mit dem sie anordnet, dass der Kläger seine Arbeitsleistung wieder ausschließlich in der betrieblichen Arbeitsstätte in D. erbringen soll – praktisch null sei.

Der Kläger beantragt daher: Das Urteil des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen – Außenkammer Radolfzell – vom 31. Juli 2024, zugestellt am 5. August 2024, Az.: 8 Ca 234/24, wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 15. April 2024 rechtsunwirksam ist und dass das Arbeitsverhältnis über den 31. Oktober 2024 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht. Hilfsweise: Das Urteil des Arbeitsgerichts Villingen-Schwenningen – Außenkammer Radolfzell – vom 31. Juli 2024, zugestellt am 5. August 2024, Az.: 8 Ca 234/24, wird abgeändert. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 15. April 2024 nicht beendet wurde, sondern über den 31. Oktober 2024 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen und führt zur Begründung aus, dass die Arbeitsleistung des Klägers in der Vergangenheit lediglich einmal pro Woche im Homeoffice erbracht worden sei. Die Beklagte habe jedoch beschlossen, sämtliche Homeoffice-Arbeitsplätze abzuschaffen, nachdem die Corona-Pandemie vorüber sei und sich die Produktivität der Mitarbeiter durch das Arbeiten im Homeoffice erheblich verschlechtert habe. Das Arbeitsgericht gehe zutreffend davon aus, dass der Kläger die geänderten Arbeitsbedingungen durch sein Schreiben vom 8. Mai 2024 abgelehnt habe. Die ausgesprochene Kündigung sei zudem verhältnismäßig.

Der Kläger könne nicht behaupten, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihm einen Homeoffice-Arbeitsplatz anzubieten. Eine ausschließliche Tätigkeit im Homeoffice scheitere bereits daran, dass die gesamte Maschinendokumentation der Beklagten künftig in D. aufbewahrt werde und nicht in digitaler Form vorliege. Dies mache eine dauerhafte Tätigkeit im Homeoffice unmöglich. Für weitere Ausführungen wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien verwiesen.            

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet und wird daher zurückgewiesen.

I. Die Berufung, die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG zulässig ist, wurde fristgerecht innerhalb der Fristen des § 66 Abs. 1 ArbGG eingelegt und begründet. Die Berufungsschrift sowie die Berufungsbegründung wurden dem Gericht auf einem zulässigen Übermittlungsweg im Sinne des § 46c Abs. 3 und 4 ArbG als qualifiziert elektronisches Dokument übermittelt. Die Berufung setzt sich in ausreichendem Maße mit dem arbeitsgerichtlichen Urteil im Sinne von § 520 Abs. 3 ZPO auseinander, weshalb sie zulässig ist.

II. Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1. 
Der Hauptantrag ist bereits aus dem Grund unbegründet, dass der Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage nicht die geänderten Arbeitsbedingungen betrifft, sondern ausschließlich den Bestand des Arbeitsverhältnisses. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass der vom Kläger in erster Instanz gestellte Klageantrag als Kündigungsschutzantrag im Sinne von § 4 S. 1 KSchG zu werten ist. In den Gründen auf Seite 5 unter II. 1. hat das Arbeitsgericht korrekt ausgeführt, dass der Kläger das mit der Kündigung vom 15.04.2024 unterbreitete Änderungsangebot nur unter geänderten inhaltlichen Arbeitsbedingungen (ausschließlich Homeoffice) akzeptieren wollte. Damit liegt im Sinne von § 150 Abs. 2 BGB keine Annahme – auch nicht unter Vorbehalt – vor.

Es ist zwischen den Parteien strittig, in welchem Umfang der Kläger in der Vergangenheit im Homeoffice tätig war. Unabhängig davon, ob dies nur ein Tag (so die Beklagte) oder „bis zu“ 3-4 Tage (so der Kläger) wöchentlich war, hat es in der Vergangenheit keine ausschließliche Tätigkeit im Homeoffice gegeben. Selbst wenn der Kläger das Änderungsangebot der Beklagten so verstehen durfte, dass die Homeoffice-Tätigkeit in bisherigem Umfang beibehalten werden sollte, hat er durch sein Schreiben vom 08.05.2024 abweichend gefordert, zukünftig ausschließlich im Homeoffice arbeiten zu können. Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist mangels Annahme – auch nur unter Vorbehalt – nicht relevant.

Soweit der Kläger vorbringt, sein Arbeitsplatz in der bisherigen Form mit anteiliger Tätigkeit im Homeoffice sei nicht weggefallen, begründet dies keine Annahme eines Änderungsangebotes, sondern betrifft den betriebsbedingten Kündigungsgrund selbst. Da der Klageantrag in dieser Form in der Berufung erneut als Hauptantrag gestellt wurde, ist er abzuweisen.

2.
Auch der hilfsweise gestellte Antrag gemäß § 4 S. 1 KSchG ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat dies zutreffend entschieden.
 

a) Der Hilfsantrag ist entscheidungsrelevant. Die Auslegung, aufgrund der unklaren Formulierung durch den Kläger, ergibt, dass der Hilfsantrag unter der prozessualen Bedingung steht, dass der Hauptantrag als Änderungsschutzantrag unbegründet ist. Die Klagefrist gemäß § 4 S. 1 KSchG wurde auch durch den Hilfsantrag gewahrt. Das Arbeitsgericht hat den Klageantrag auf Grundlage des Rechtsschutzziels des Klägers bereits in erster Instanz korrekt als solchen interpretiert. Für weitere Einzelheiten wird auf II. 1. der Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

b) Der Antrag ist nicht bereits deshalb begründet, weil die Kündigung als überflüssige, bestandsgefährdende Änderungskündigung angesehen werden könnte. Dies wäre der Fall, wenn die Beklagte aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen berechtigt gewesen wäre, die mit der Änderungskündigung angestrebte Änderung der Arbeitsbedingungen bereits durch ihr Direktionsrecht gemäß § 106 GewO durchzusetzen, und der Kläger diese Änderungskündigung nicht akzeptiert hat (BAG, Urteil vom 06.09.2007 – 2 AZR 368/06). Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Beklagte aufgrund der Formulierung in § 2 der Änderungsvereinbarung, in der ausdrücklich der Dienstsitz des Klägers am Sitz der Gesellschaft festgelegt wurde, eine Versetzung nach D. nur durch den Ausspruch einer Änderungskündigung herbeiführen konnte. Eine örtliche Versetzungsklausel ist in der Änderungsvereinbarung – im Gegensatz zum ursprünglichen Arbeitsvertrag – nicht mehr enthalten. Dies entspricht auch dem Verständnis des Klägers, der sich nicht auf die Unwirksamkeit der Änderungskündigung aufgrund ihrer Unverhältnismäßigkeit berufen hat.

c) Der Antrag ist jedoch unbegründet, da die Kündigung vom 15.04.2024, die nun als Beendigungskündigung im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG zu prüfen ist, sozial gerechtfertigt ist, da dringende betriebliche Gründe vorliegen, die einer Weiterbeschäftigung des Klägers im Betrieb in R. entgegenstehen.

aa) Es ist unstreitig zwischen den Parteien, dass die Beklagte die unternehmerische Entscheidung getroffen hat, den Standort R. zu schließen, dass keine Sozialauswahl durchgeführt wurde und dass die Kündigung auch aus formellen Gründen nicht unwirksam ist. Streit besteht lediglich darüber, ob die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Kläger ausschließlich – abgesehen von gelegentlichen Dienstreisen nach D. – in seinem Homeoffice in E. zu beschäftigen.

bb) Da der Kläger in seinem Schreiben vom 08.05.2024 gefordert hat, zukünftig ausschließlich im Homeoffice tätig zu sein, ist es unerheblich, ob die Beklagte mit der Änderungskündigung vom 15.04.2024 jede Form des Homeoffice-Einsatzes des Klägers ausschließen wollte oder ihn lediglich dazu verpflichten wollte, in dem Umfang, in dem er bisher in R. im Betrieb tätig war, zukünftig in D. in Präsenz zu arbeiten. Insbesondere die Formulierung im Kündigungsschreiben, wonach alle übrigen Arbeitsvertragskonditionen – bis auf den Arbeitsort – unverändert bleiben und lediglich der (vertraglich vereinbarte) Dienstsitz von S. nach D. verlegt wird, deutet darauf hin, dass das Änderungsangebot der Beklagten nicht ausschloss, dass der Kläger auch in Zukunft zumindest teilweise im Homeoffice arbeiten könnte. Selbst bei dieser Interpretation des Änderungsangebotes hat der Kläger jedoch durch seine Forderung nach ausschließlichem Homeoffice abgelehnt. Die schriftlichen Ausführungen der Beklagten legen jedoch nahe, dass die Beklagte das Änderungsangebot so verstand, dass die Tätigkeit des Klägers in D. ausschließlich in Präsenz erfolgen sollte. Letztlich kommt es jedoch nicht auf die Sichtweise der Beklagten an, sondern auf das Verständnis des Klägers als Empfänger des Änderungsangebotes gemäß § 133, 157 BGB.

Wie das Änderungsangebot für den Kläger zu verstehen war, kann offenbleiben. Selbst wenn es so interpretiert werden sollte, dass der Kläger seine Tätigkeit zukünftig in D. ausschließlich in Präsenz erbringen müsste, wäre die Frage, ob der Kläger nicht mehr berechtigt sein soll, seine Tätigkeit teilweise weiterhin im Homeoffice auszuüben, nicht vom Änderungsangebot der Beklagten erfasst. Denn die Frage, ob und in welchem Umfang der Kläger im Homeoffice arbeiten kann, unterliegt mangels einer vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien über das Homeoffice dem Weisungsrecht der Beklagten und ist daher nicht Gegenstand der Änderungskündigung. Außerhalb der Regelung des § 28b IfSG konnte und kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit im Homeoffice nur gestatten, nicht jedoch anweisen. Soweit angenommen wird, dass dafür immer eine vertragliche Vereinbarung erforderlich sei (Bayreuther, NZA 2021, 1593, 1594), ist das Gericht anderer Auffassung. Es ist möglich, dass der Arbeitgeber sein Weisungsrecht bezüglich der Bestimmung des Arbeitsortes so ausübt, dass er dem Arbeitnehmer vorübergehend die Bestimmung des Arbeitsortes überlässt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass damit eine vertragliche Regelung über einen verbindlichen Umfang der Tätigkeit im Homeoffice getroffen wird. Vielmehr überlässt der Arbeitgeber in einem näher bestimmten Umfang im Rahmen seines Weisungsrechts nach § 106 GewO dem Arbeitnehmer die Bestimmung des Leistungsortes (siehe dazu auch ErfK/Preis, 25. Aufl. 2025, GewO § 106 Rn. 30b; ders. § 611a BGB Rn 168). Dieses Verständnis wird dadurch gestützt, dass der Arbeitgeber nicht ohne Not auf sein Weisungsrecht bezüglich des Arbeitsortes verzichten wird und sich daher nicht vertraglich auf einen bestimmten Arbeitsort, hier das Homeoffice, festlegen möchte.

Selbst bei dieser Interpretation des Änderungsangebotes wäre der Gegenstand dieses Angebotes lediglich die Änderung des Dienstsitzes von S. nach D. Es kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte gleichzeitig eine Reduzierung oder Aufhebung des Umfangs der Tätigkeit im Homeoffice beabsichtigte, was wiederum eine überflüssige Änderungskündigung zur Folge hätte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beklagte den Umfang des Homeoffice gegebenenfalls durch Ausübung ihres Weisungsrechts ändern wollte, nicht jedoch durch die ausgesprochene Änderungskündigung.

cc) Die ausgesprochene Kündigung vom 15.04.2024, die als betriebsbedingte Beendigungskündigung zu prüfen ist, ist auch nicht sozial ungerechtfertigt, weil sie kein milderes Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt. Der Kläger argumentiert, als milderes Mittel käme in Betracht, ihn (nunmehr vollständig) im Homeoffice tätig werden zu lassen. Diesen Arbeitsplatz gäbe es bereits, da er in der Vergangenheit bis zu drei oder vier Tage im Homeoffice gearbeitet hat.

(1) Entgegen der Auffassung des Klägers existiert ein solcher Arbeitsplatz bei der Beklagten bislang nicht. Der Kläger war in der Vergangenheit auch nicht durchgehend im Homeoffice tätig, sondern in strittigem Umfang ein bis zwei oder drei bis vier Tage pro Woche. Selbst wenn man zugunsten des Klägers annimmt, dass es zeitweise drei bis vier Tage pro Woche waren, bedeutet dies nicht, dass ein Arbeitsplatz existiert, der vollständig im Homeoffice des Klägers ausgeführt werden kann. In seinem Schreiben vom 08.05.2024 fordert der Kläger jedoch genau das. Es ist ein erheblicher Unterschied, ob der Kläger täglich im Homeoffice arbeitet oder regelmäßig ein bis zwei Tage pro Woche im Betrieb anwesend ist. Daher handelt es sich bei einer ausschließlich im Homeoffice ausgeübten Tätigkeit und einer Tätigkeit, bei der der Kläger drei bis vier Tage pro Woche arbeitet, nicht um dieselben Arbeitsplätze. Die Frage, welche der beiden Parteien die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, in welchem Umfang der Kläger bisher im Homeoffice tätig war, muss daher nicht entschieden werden.

(2) Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass ein solcher Arbeitsplatz zur Vermeidung der betriebsbedingten Kündigung bei der Beklagten eingerichtet wird. Das hat das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt. Auf die umfassend zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 2. b) des angefochtenen Urteils wird verwiesen. Das Arbeitsgericht weist insbesondere korrekt darauf hin, dass der Arbeitnehmer keinen gesetzlichen Anspruch auf die Einrichtung eines Homeoffice-Arbeitsplatzes hat (ErfK/Preis, 25. Aufl. 2025, BGB § 611a Rn. 166, beck-online). Dem steht grundsätzlich die unternehmerische Entscheidungsfreiheit entgegen, die auch umfasst, ob der Arbeitgeber es gestattet, dass die Arbeitsleistung außerhalb der Betriebsstätte durch die Arbeitnehmer erbracht wird. Nach der derzeitigen Rechtslage besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Homeoffice nur in seltenen Ausnahmefällen, nämlich wenn das Ermessen des Arbeitgebers gemäß § 106 S. 1 GewO den Arbeitsort so bestimmt, dass nur das Homeoffice als einzige ermessensfehlerfreie Organisationsentscheidung zulässt (Anspruch auf Neuausübung des Weisungsrechts in Verbindung mit einer Ermessensreduzierung auf Null). Solche Ausnahmesituationen sind denkbar bei leidensgerechter Beschäftigung, einem erheblichen Krankheitsrisiko im Betrieb oder familiären Notsituationen. In diesen Fällen ist § 106 S. 1 GewO in Verbindung mit § 241 II BGB die Anspruchsgrundlage, da nur die Pflicht des Arbeitgebers zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitnehmers seine Organisationsfreiheit so weit einschränken kann. Die Neuausübung des Direktionsrechts muss für den Arbeitgeber in jedem Fall rechtlich möglich und zumutbar sein (Barrein, Das Recht des Arbeitnehmers auf Homeoffice, NZA 2022, 1088, 1089 beck-online). 

Entscheidet der Arbeitgeber, bestimmte Tätigkeiten an einen anderen Arbeitsort zu verlegen, ist er verpflichtet, dem von der Umstrukturierung betroffenen Arbeitnehmer die verlagerten Aufgaben nach den Grundsätzen der anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit zu übertragen. Dazu muss er bei entsprechender Versetzungsklausel sein Direktionsrecht ausüben oder eine erforderliche Änderungskündigung aussprechen. Die Arbeit fällt in der verlegten Betriebsstätte weiterhin an. Ist eine Versetzung nach § 106 GewO rechtlich nicht möglich und nimmt der Arbeitnehmer eine Änderungskündigung nicht unter Vorbehalt an, kann der Arbeitnehmer gegen eine daraufhin ausgesprochene Beendigungskündigung grundsätzlich nicht erfolgreich einwenden, der Arbeitgeber habe für ihn einen Homeoffice-Arbeitsplatz einrichten müssen. Im Rahmen seiner unternehmerischen Organisationsentscheidung legt der Arbeitgeber die Arbeitsorte für die vertraglich geschuldeten Tätigkeiten fest. Es obliegt dem Arbeitgeber zu entscheiden, ob er seinen Arbeitnehmern anbietet, die vertraglich geschuldete Arbeit im Homeoffice zu leisten (LAG Köln 10.12.2015 – 7 TaBV 52/15, BeckRS 2015, 119122 Rn. 27). Es besteht keine Pflicht, einen Homeoffice-Arbeitsplatz zu schaffen und die damit verbundenen Kosten zu tragen (APS/Kiel, 7. Aufl. 2024, KSchG § 1 Rn. 541a, beck-online). Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch des Klägers hier nicht aus § 241 Abs. 2 BGB. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein solcher Anspruch entstehen könnte, wenn dem Arbeitnehmer eine Tätigkeit am geänderten Betriebssitz, hier in D., aus persönlichen Gründen nicht möglich ist. Abgesehen davon, dass der Kläger nicht bereit ist, in D. zumindest einen Zweitwohnsitz zu begründen, hat er hierzu jedoch nichts vorgetragen. 

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 02.03.2006 (2 AZR 64/05) führt zu keiner anderen Einschätzung, da sie sich auf ordentlich nicht kündbare Arbeitnehmer bezieht, bei denen eine besondere Prüfpflicht der Beschäftigung im Homeoffice aufgrund eines Interessenausgleichs besteht.

(3) Zwar muss der Arbeitgeber, wenn der betroffene Arbeitnehmer bereits aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung im Homeoffice gearbeitet hat, im Rahmen der Rechtsmissbrauchskontrolle darlegen, warum diese Option bei einer Verlagerung der Betriebsstätte nicht mehr in Betracht kommt (APS/Kiel, 7. Aufl. 2024, KSchG § 1 Rn. 541a, beck-online). Dies setzt jedoch zunächst eine vertragliche Vereinbarung zur Erbringung der Arbeitsleistung im Homeoffice voraus. Geht man davon aus, dass – wie im vorliegenden Fall – eine solche vertragliche Vereinbarung fehlt, ist die Frage des Fortbestands der Tätigkeit im Homeoffice lediglich eine Frage der Ausübung und Kontrolle des Weisungsrechts des Arbeitgebers und nicht der Kontrolle der Verhältnismäßigkeit einer Beendigungskündigung. 

Darüber hinaus hat die Beklagte nachvollziehbare Gründe vorgetragen, warum sie im Rahmen ihrer unternehmerischen Entscheidungsfreiheit wünscht, dass der Kläger seine Tätigkeit in Präsenz im Betrieb in D. ausübt. Hierbei spielt insbesondere eine zentrale Rolle, dass die erforderlichen Anlagenpläne nicht digitalisiert sind. 

Aus diesen Gründen verstößt die ausgesprochene Kündigung nicht gegen die allgemeine kündigungsrechtliche Vorgabe, vor Ausspruch einer Beendigungskündigung ein milderes Mittel zu ergreifen. Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage daher zu Recht abgewiesen, und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ist aus diesem Grund zurückzuweisen.

III. Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da er vollständig unterlegen ist. Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen.